Risiko für Anleger gibt es immer. In diesem Artikel beschäftige ich mich mit drei Risiken, die nicht so offensichtlich mit den Finanzmärkten zu tun haben. Es geht um Börsenzeitschriften und Börsenbriefe, IPOs und Verkäufer von Finanzdienstleistungen.
Risiko für Anleger: Börsenzeitschriften!
Vor allem in Hausse-Phasen an der Börse sind Zeitschriften, die sich mit Finanzen und Investments beschäftigen, stark nachgefragt. Doch wie groß ist der Informationsgehalt wirklich? Welchen Stellenwert haben Börsenzeitschriften für mich? Kurz und knapp: Fast gar keinen! Ich schaue sie mir an, um mir einen Eindruck zu verschaffen, was gerade Trend ist und welche Aktien gerade hochgejubelt werden. Mehr nicht.
Börsenzeitschriften wollen in erster Linie verkaufen!
Früher waren Börsenbriefe das ganz große Ding. Der Platow Brief oder die Prior Börse zum Beispiel. Aber meistens funktionieren sie nach dem Verkaufsprinzip, welches im Print-Business nun einmal vorherrscht. Das bedeutet zum Beispiel, dass Anzeigenkunden besonders wohlwollend behandelt werden in der Berichterstattung. Oder dass genau die Aktien empfohlen werden, die gerade von den starken zu den zittrigen Händen wechseln sollen. Das ist meine persönliche Sicht der Dinge. Aber was meine ich damit genau?
Die großen Investmentfonds und Pensionskassen haben riesige Aktienbestände in ihrem Portfolio. Diese Portfolios werden von Profis gemanagt. Wenn diese Manager Aktienbestände reduzieren wollen in ihrem Fonds, dann können die nicht einfach so ein paar tausend Stück verkaufen. Das würde bei so großem Volumen dazu führen, dass die Kurse für die entsprechende Aktie fallen. Und das würde die Verkaufsgewinne für den Fondsmanager schmälern. Also werden Aktien gepusht von den Medien, damit die Privatanleger aufmerksam gemacht werden für diese Aktien. Aufgrund des erhöhten Kaufinteresses seitens der Privatanleger bleiben die Kurse dieser Aktien stabil oder steigen sogar. In diese Bewegung hinein verkaufen die Profis dann ihre Bestände – meistens über Tage und Wochen, damit die Kurse wie beschrieben nicht fallen durch diese Verkäufe.
Auch in der Darstellung der Unternehmen arbeiten Börsenzeitschriften nicht so gründlich, wie es dem Thema entsprechend gemacht werden müsste. Es werden zum Beispiel Kriterien wie KGV oder Umsatzsteigerung kommentarlos in Info-Kästen erwähnt. Der Privatanleger nimmt dadurch aber nur selektiv bestimmte Kennzahlen auf und kann sie nicht in die richtige Verbindung bringen.
Beispiel für oberflächliche Berichterstattung in Börsenzeitschriften
Beispiel dafür ist die Erwähnung des KGV: Ein KGV von 7 klingt erst einmal sehr niedrig und sieht auch optisch nach einer günstigen Aktie aus. Das ist sie aber überhaupt nicht, wenn ich diese Kennzahl ins Verhältnis zum geschätzten Gewinnwachstum setze. Bei einem Gewinnwachstum von 20% wäre das KGV von 7 ein Zeichen dafür, dass es sich bei der Aktie um ein Schnäppchen handeln könnte. Ein geschätztes Gewinnwachstum von minus 20 % wiederum würde anzeigen, dass es sich um alles andere als ein günstig bewertetes Unternehmen/ Aktie handelt.
Fazit: Börsenzeitschriften sind für mich gut, um die allgemeine Stimmung an den Finanzmärkten mitzubekommen. Für eine Investitionsentscheidung braucht es bisschen mehr als Info-Texte und bunte Grafiken. Immerhin geht es um mein sauer erspartes Geld, dass ich investieren werde. Da sollte jeder etwas genauer analysieren, bevor er kauft.
Risiko für Anleger: Warum ich keine IPOs handle!
Ich beteilige mich seit Ende der 1990-er Jahre grundsätzlich nicht mehr an IPOs. Mit einem IPO (heißt übersetzt Initial Public Offering) ist auf gut deutsch der Börsengang eines Unternehmens gemeint. Aber warum investiere ich nicht in IPOs?
Die Aktien sind zum IPO extrem hoch gepreist von den Konsortialbanken. Das war früher nicht so. Aber die Banker sind gieriger geworden. Diese Entwicklung lässt sich auch gut an der Anzahl der Unternehmen ablesen, die sogenannte „Unicorns“ sind, also Unternehmen mit mehr als einer Milliarde USD Marktkapitalisierung. Wohlgemerkt VOR dem Börsengang. Solche hohen Bewertungen von Unternehmen gab es früher nicht. Das ist ein Zeichen, dass diese Unternehmen schon vor dem Börsengang nach oben gepusht werden. Denn die fundamentalen Fakten lassen diese Bewertung meistens nicht zu. Da ist also viel Phantasie im Geschäftsmodell des Unternehmens vorweggenommen. Deshalb stürzen die Preise auch meist ab nach dem Börsengang. Wenn man sich die IPOs der letzten Jahre anschaut, findet sich fast immer das gleiche Muster.
Weiteres Problem ist die sogenannte Lock up-Frist. Nach 6 Monaten schmeißen die Investoren und Business Angels, die vor dem Börsengang investiert haben, ihre Anteile auf den Markt. Das sorgt für großen Verkaufsdruck. Außerdem hat eine Aktie zum IPO und danach keine Historie. Es gibt keine Anhaltspunkte, weder im Chart noch bei den Fundamentaldaten, aus denen man eine Entwicklung extrapolieren kann.
Risiko für Anleger: Warum ich niemals auf Verkäufer höre!
Die meisten guten Ratschläge und tollen Tipps, die man als Aktieninvestor zu hören bekommt, haben nur eine Zielrichtung: Kaufe jetzt und sofort Aktien, bevor der Markt richtig abhebt und nach oben schießt. Meistens stellt man hinterher allerdings fest, dass man dann zwar in Aktien investiert ist, diese aber zu sehr hohen Preisen erworben hat. Warum ist das so? Wie kann man das vermeiden?
Die letzte Frage ist schnell beantwortet: Vermeiden kann man diesen „Herdentrieb“ nur, wenn man seinen eigenen Kopf zum Denken benutzt und sich selbst einen Überblick über die aktuelle Lage am Aktienmarkt und bei einzelnen Unternehmen verschafft. Das geht leider nicht ohne Analyse. Mehr zu den psychologischen Aspekten des Herdentriebs kannst du in diesem Artikel lesen.
Womit wir direkt bei der ersten Frage sind: Wäre es nicht so viel einfacher, sich die ganze Mühe zu sparen, wenn man auf die Experten hört? Immerhin machen die das hauptberuflich und meistens haben sie sogar studiert. Und schöne Anzüge tragen sie auch. Das schreit doch förmlich nach top-seriösen Tipps und knallhart recherchierten Expertisen. Was diese Experten sagen, klingt erst einmal ganz gut und einfach. Aber das ist es natürlich nicht. Wie kommt es also, dass man von den meisten Experten und Börsenprofis immer nur gesagt bekommt, dass man kaufen soll? Was steckt dahinter?
Immer fragen, was der Verkäufer für ein Motiv hat!
Regel Nummer 1: Als Anleger sollte man sich immer fragen, warum jemand etwas sagt und wie er das sagt. Eigentlich müssten alle gelernt haben im Laufe ihres Lebens, dass immer, wenn es um den Verkauf von etwas geht, der Verkäufer einen bestimmten Zweck verfolgt, wenn er die Ware oder die Dienstleistung in den rosigsten Tönen anpreist. Stichwort Autoverkäufer. Will der Mensch mir etwas Gutes tun, indem er mich zur Probefahrt im neuen 3-er Cabrio einlädt? Bestimmt nicht. Er will mir die Kiste verkaufen und die Provision einstreichen. Das weiß jeder. Warum sollte das im Finanzbereich anders sein? Der Versicherungsvertreter möchte, dass ich für meine Familie vorsorge, falls mir einmal etwas Schlimmes passiert. Er möchte, dass ich Krankentagegeld bekomme, wenn ich zufällig einen Unfall haben sollte. Gott bewahre, dass so etwas passiert, aber was, wenn doch? Ist es dann nicht eine tolle Sache, wenn man gut versichert ist? Und ist es nicht total geil, wenn ich in dem 3-er Cabrio durch die Innenstadt von Café zu Café cruise und mein Arm hängt lässig aus dem Fenster. Keiner sieht doch so gut aus in dem Auto wie ich.
Deshalb habe ich schon vor langer Zeit beschlossen, dass ich größte Vorsicht walten lasse, wenn jemand mir etwas verkaufen will. Die Motivation des Verkäufers ist mir klar – er will Geld verdienen. Das ist völlig okay. Er macht seinen Job. Ich jedoch bin in keinster Weise dazu verpflichtet, bei diesem Spiel mitzumachen. Ich muss diesem Verkäufer auch keinen Gefallen tun. Ich kenne ihn in den meisten Fällen ja noch nicht einmal.
Mein Tipp: Möglichst alle Emotionen heraushalten, wenn man eine (größere) Investition tätigt, eine Versicherung abschließen möchte oder mit jemand anderem ein gemeinsames Geschäft starten will. In diesen Fällen zählen meiner Meinung nach nur Fakten. Und um auf diesem Spielfeld sicher aufzutreten, beginne ich bei den meisten dieser Situationen mit der Frage: Was hat mein Gegenüber davon? Mittlerweile bin ich sogar so weit, diese Frage ganz offen zu stellen: Was hast du von dem Deal? Die Antwort wird sich in den wenigsten Fällen mit meinem persönlichen Anliegen decken.
Doch zurück zu den vielgepriesenen Aktien- und Anlagetipps. Bei folgenden „Anmach“-Sprüchen sollte man als potenzieller Investor hellhörig werden:
„Ich habe da etwas für Sie. Etwas ganz Besonderes. Als ich das auf den Tisch bekam, musste ich sofort an Sie denken!“
Keine Ahnung, wie gut der Typ Sie kennt und Sie ihn kennen, aber wäre es vielleicht möglich, dass er das schon 100 anderen „guten Freunden“ erzählt hat? Wenn der Kollege also nicht wirklich zu den persönlichen engen Freunden gehört, dann wäre ich da sehr vorsichtig.
Wer kennt FOMO? Neudeutsch für „Fear of missing out“ („die Angst, etwas zu verpassen“). Das klingt dann ungefähr so: „Alle Aktien sind in den letzten 12 Monaten unglaublich gestiegen. Schade, dass sie bei diesen Gewinnen nicht dabei gewesen sind. Wenn Sie jetzt Aktien kaufen, dann sind Sie mit dabei und müssen nicht mehr zuschauen, wie ihre Freunde von ihren Gewinnen erzählen.“
In diesem Fall ist man in der Defensive. Denn aus heutiger Sicht hätte man natürlich auch gern von den sagenhaften Gewinnen in der Vergangenheit profitiert. Aber man war nicht dabei. Aus Angst. Aus Unsicherheit. In diese Kerbe schlägt der Anrufer. Jetzt bietet sich noch einmal die einmalige Chance, auf den Börsenzug aufzuspringen und ordentlich Kohle zu machen. Mein Tipp: Bloß nicht verrückt machen lassen. Keine Hektik beim Investieren. Und eins zum Trost: Die meisten Supergewinne sehen bei genauer Betrachtung gar nicht mehr so super aus. Denn ALLE Aktien steigen bestimmt nicht. Und ob jemand eine Aktie am Tiefkurs kauft und am Hoch punktgenau verkauft, ist theoretisch zwar möglich, in der Praxis aber nicht. Wer das behauptet, der lügt.
Es gibt mit Sicherheit noch weitere Ratschläge aus dem Lexikon der Aktien-Experten. Aber ob es charttechnische Tipps sind wie „Die Aktie hat einen Doppelboden ausgebildet und wird jetzt steigen“ oder der Klassiker „Tiefer kann der Kurs nicht fallen“ oder fundamental unterfütterte Botschaften wie „Das Produkt XY kommt demnächst auf den Markt und das wird der Burner“ – es geht letztendlich immer um die gleiche Frage, die man sich als Privatanleger stellen sollte: „Wer hat etwas davon, wenn er mir diesen und jenen Ratschlag bezüglich einer Aktie gibt?“
Für die Beantwortung dieser Frage sollte man sich viel Zeit nehmen und alles genau durchdenken. Am besten ist es, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Einen Plan zum Vermögensaufbau erstellen und diesem folgen. Sich weiterzubilden und seinem logischen Menschenverstand vertrauen. Dann macht Investieren Spaß. Dann ist man persönlich involviert in sein Handeln. Dann übernimmt man Verantwortung für die Entscheidungen, die man trifft und die Geschäfte, die man eingeht. Dann ist man „Skin in the Game“. Und dann sind die Gewinne, die man mit seinen Investments erzielt, kein Glücksspiel, sondern die Belohnung für die eigene Anstrengung. Das ist immer noch die beste Belohnung, die ich mir vorstellen kann.
Was mit „Skin in the Game“ gemeint ist, kannst du übrigens in diesem Artikel lesen.
Zum Schluss noch eine Regel von Fondsmanager Guy Spier, womit die ganze Thematik prägnant zusammengefasst ist:
„Wenn Ihnen jemand etwas verkaufen will, rennen sie weg!“
Guy Spier
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