Charlie Munger pustet 99 Kerzen auf seiner Geburtstagstorte aus. Da darf eine kleine Verbeugung hier in meinem Blog natürlich nicht fehlen. Drei Zitate von dem großen Marktphilosophen stelle ich vor und kommentiere sie kurz und knackig. Anregende zwei Stunden Plauderei über noch mehr Zitate von Charlie Munger kannst du bei Börsenbunchtv auf YouTube sehen.
„Sowohl Warren Buffet als auch ich, bestehen darauf, fast jeden Tag Zeit zur freien Verfügung zu haben, um einfach dazusitzen und nachzudenken. Das ist heutzutage in amerikanischen Unternehmen sehr unüblich. Dabei ist es das, was uns erfolgreich macht, wir lesen und denken.“
Charlie Munger
Ich versuche das auch. Und dankenswerterweise habe ich den ganzen Tag Zeit dafür. Ich finde, Denken ist eine wunderbare Beschäftigung. Wozu ist der Kopf sonst da? Abgesehen von gelegentlichen Besuchen beim Friseur. Ich denke auch, dass es inzwischen noch wichtiger geworden ist, selbstständig zu denken. Die Welt ist schnell und komplex geworden. Es gibt nicht mehr die eine goldene Regel für Erfolg oder Zufriedenheit oder Glück.
Wenn man das verstanden hat, kommt man zu zwei Schlussfolgerungen: Entweder man kapituliert und hört auf zu denken und macht, was andere einem andere sagen – oder man bleibt am Ball und denkt selber. Was das Lesen einschließt. Denn es gibt so viele helle Köpfe und zu unserem Glück haben einige von ihnen auch Bücher geschrieben. Bücher sind die Lehrmeister. Man muss nicht alles glauben, was wir lesen. Im Gegenteil. Immer schön skeptisch bleiben! Aber der eigene Denkprozess wird durch andere kluge Köpfe natürlich angeregt. Irgendwann wird Denken zur Gewohnheit und man denkt ständig. Das Handeln darf dabei nicht vergessen werden. Nur echte Handlungen bringen wahre Erkenntnis. Aber vor dem Handeln muss man denken.
„Beim Investieren findet man ein paar großartige Unternehmen und sitzt dann auf seinem Hintern. Das große Geld liegt nicht im Kaufen oder Verkaufen, sondern im Warten.“
Charlie Munger
Grundsätzlich stimmt das natürlich. Trotzdem sehe ich das differenzierter. Der Zyklus eines Unternehmens ist nicht mehr so lange, wie er mal war. Es gibt natürlich Ausnahme-Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen uns lange Zeit begleiten und die anständig Geld für ihre Aktionäre verdienen. Aber als Skeptiker muss ich mir die Frage stellen: Wie finde ich diese Unternehmen? Das ist die erste schwierige Aufgabe.
Dann kommt die nächste schwierige Aufgabe. Wie kann ich heute zu dem Entschluss kommen, Aktien von einem Unternehmen zu kaufen, dass die nächsten 30 Jahre erfolgreich sein wird? Woher nehme ich diese Sicherheit, das anzunehmen? Die Chance dafür, so ein Unternehmen zu finden, ist sehr gering. Ich würde so etwas eher Glück nennen.
Ich muss anerkennen, dass ich nicht über die Fähigkeiten eines Charlie Munger verfüge. Wenn ich das anerkenne, komme ich zu dem Schluss, dass ich es lieber lasse, die nächste Apple zu entdecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen Fehlgriff bei meinem Investment tätige, ist sehr hoch. Ich muss vor allem wissen, was ich nicht weiß. Bescheiden bleiben und meine Grenzen kennen.
Ich spreche explizit über Investments. Grenzen ausweiten in anderen Lebensbereichen ist wichtig und notwendig für persönliches Wachstum. Beim Investieren gehe ich eher davon aus, dass ich keine Ahnung habe.
„Ich habe die überragenden Intellektuellen in Büchern kennengelernt, nicht im Klassenzimmer. In meiner Familie ging es um all diese Dinge, darum, durch Disziplin, Wissen und Selbstbeherrschung voranzukommen.“
Charlie Munger
Dazu passt eine Buchrezension, die ich gerade gelesen habe. Das Buch heißt „Paper Belt on Fire“ von Michael Gibson. Es hat sich seit längerem die Gewohnheit eingeschlichen, dass man nur mit Top-Ausbildungen Karriere machen kann. Der Autor zeigt, dass das falsch ist und außerdem unzeitgemäß. Er schreibt weiterhin, dass die Universitäten in den USA mittlerweile nur wirtschaftlich orientierte Fakultäten sind, die bedruckte Zettel mit Diplomen an ahnungslose Studenten verkaufen. Verkaufen deshalb, weil die Kosten für ein Studium exorbitant sind.
Charlie Munger hat diese Entwicklung vorweggenommen, in dem er richtig sagt, dass wahre Bildung und Intelligenz auch auf anderem Wege – und mit Sicherheit praktischer und nachhaltiger – erworben werden kann. Es geht dabei nicht nur ums Investieren. Es geht darum, seinen Kopf zu benutzen.
Wir definieren uns viel zu sehr über das, was wir tun, unsere Jobs vor allem, aber wir sind mehr als unsere Jobs. Ich kann Pförtner in einem Krankenhaus sein oder Aufpasser im Museum und trotzdem alles über die Gauss’sche Glockenkurve wissen. Oder über Trainingsmethoden für einen Marathon. Oder über Schiffsunglücke. Oder über Meditation.
Egal, worüber ich spreche – am Ende komme ich meistens auf das, was mich die Bücher gelehrt haben. Die Erfahrungen anderer Menschen. Natürlich sind eigene Erfahrungen wichtig. Aber unsere Möglichkeiten diesbezüglich sind begrenzt. Allein schon zeitlich betrachtet.
Bücher waren und sind für mich immer Abkürzungen, um Erfahrungen zu sammeln und Neues kennenzulernen. Im Klassenzimmer habe ich nicht nur Mist kennengelernt. Aber es war ziemlich viel Mist dabei. Als ich anfing, mir selbst meine Lehrmeister auszusuchen, wurde es spannend. Das ist, glaube ich, die eigentliche Message dieses Zitats. In den Schulen und Universitäten wird einem ein Menü zusammengestellt, was man zu sich nehmen muss. Aber ich habe nicht immer Appetit auf dieses Menü. Ich möchte mir mein Menü selbst zusammenstellen.
Foto: Grafik und Schnipselei: Jacob Risse/ Börsenbunchtv