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Diversifikation und Portfoliomanagement

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Diversifikation und Portfoliomanagement sind Schlüsselbegriffe bei langfristigen Investments und Vermögensaufbau. Wer hier seine Hausaufgaben macht, der hat ein Portfolio, das in jeder Marktphase die bestmögliche Performance bringt. Aber wie funktioniert das in der Praxis?

Wenn wir von einem gut diversifizierten Portfolio sprechen, meinen wir ein Portfolio, dass eine gute Balance zwischen Chance und Risiko aufweist. Ein Portfolio, das in Baisse-Phasen defensive Eigenschaften ausspielt und in der Hausse Wachstum und Kursgewinne bringt. 

Wer schon länger an der Börse agiert oder einen großen Zeithorizont für seinen Vermögensaufbau einplant, weiß, das Diversifikation und Portfoliomanagement – also strategische Ausrichtung, sinnvolle Verteilung der Assetklassen im Portfolio – ein thematischer Dauerbrenner beim Investieren ist. Nicht umsonst haben sich viele schlaue Köpfe aus den theoretischen Wirtschafts-Denkschulen an diesem schwierigen Thema probiert. Am populärsten ist wahrscheinlich die Portfoliotheorie von Harry M. Markowitz. Bereits 1952 hat der US-amerikanische Ökonom die Grundlagen dafür entwickelt.

„Er traf bestimmte Annahmen über das Verhalten von Investoren und erzielte so Aussagen über das Investitionsverhalten. Das wichtigste Resultat der Portfoliotheorie ist die Risikodiversifikation. Es existiert für jeden Investor ein so genanntes optimales Portfolio aus allen Anlagemöglichkeiten, das dessen Risiko-Chancen-Profil bestmöglich abbildet. Dieses optimale Portfolio hängt dabei weder von dem ursprünglichen Vermögen des Investors noch seiner unmittelbaren Risikoeinstellung ab. Vielmehr spielen nur die Risiko-Rendite-Kombinationen der gehandelten Titel eine Rolle.“

(Quelle: de.wikipedia.org)

Seine Arbeit war zum Zeitpunkt ihres Erscheinens revolutionär, und fast 40 Jahre später befand auch die Jury in Stockholm diese Arbeit für bemerkenswert. 1990 bekam Markowitz dafür den Wirtschaftsnobelpreis. 

Der Mythos des rational agierenden Investors!

Abseits von den theoretischen Berechnungen, die sehr elegant zu einem perfekten Portfolio-Mix führen, gab es schon kurz nach Veröffentlichung der Arbeit die ersten kritischen Stimmen. Denn wie so oft bei theoretischen Arbeiten basieren diese auf absoluten und gleichmäßigen mathematischen Umgebungen. Nun ist bei dem schwammigen Begriff „Wirtschaft“ sehr schnell ersichtlich, dass dort von so etwas wie Gleichmäßigkeit und Vorhersagbarkeit keine Rede sein kann. Die Theorie von Markowitz und vielen anderen geht davon aus, dass der Mensch als Investor sich absolut rational verhält (Homo Oeconomicus) und dadurch zwangsläufig zu einem optimalen Portfolio-Mix kommt. Dabei wird vollkommen ausgeblendet, dass nur die wenigsten Menschen sich wirklich so verhalten. 

Die meisten Menschen agieren emotional und ihre Überlegungen und Entscheidungen basieren auf psychologischen Faktoren wie bestimmten Vorlieben und persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen sowie auf Nachahmung und Gruppenverhalten – um nur einige zu nennen. Diese Verhaltensweisen sind der eigentliche Antrieb für fast alle Handlungen, die Menschen durchführen – auch bei Investitionsentscheidungen. In diesem Artikel kannst du etwas über sogenannte Bias lesen, die großen Einfluss auf unsere Entscheidungen nehmen können.

Wenn wir Anhänger des rationalen Verhaltens aller Marktteilnehmer sind (die so genannte Effizienzmarkttheorie von Eugene Fama), dann können wir an dieser Stelle Feierabend machen. Dann ist die moderne Portfoliotheorie unsere hell leuchtende Fackel in dunkler Nacht. Aber was ist, wenn wir zweifeln? Der Professor für Psychologie und Autor Gerd Gigerenzer erzählt in seinem Buch „Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft“ (erschienen 2013 im Verlag C. Bertelsmann) eine interessante Anekdote zu Markowitz’ Portfoliotheorie.

„Das Modell sagt Ihnen, wie Sie die höchste Rendite beim geringsten Risiko erwarten können. Viele Banken verlassen sich auf diese und ähnliche Investmentmethoden und warnen ihre Kunden davor, ihrer Intuition zu vertrauen. Man sollte annehmen, dass Markowitz, als er selbst Investitionen für seine Alterssicherung tätigte, seine nobelpreisgekrönte Methode anwendete. Aber nein, er hielt sich an die einfache Faustregel »1/N«.  In einem Interview erklärte Markowitz, er habe sich Selbstvorwürfe ersparen wollen: „Ich dachte: Wenn die Kurse nach oben gehen, und ich bin nicht dabei, komme ich mir blöd vor. Und wenn sie fallen, und ich bin dabei, komme ich mir blöd vor. Daher entschied ich mich für 50/50.“ Er hielt sich an das Motto vieler Investoren: Mach es einfach! Und 1/N ist nicht nur einfach, es ist auch die reinste Form der Diversifizierung.“

Gerd Gigerenzer, Risiko

1/N heißt in der Praxis: Verteile deine Ressourcen auf N Alternativen! Es bedeutet, dass die verschiedenen Assetklassen im Portfolio gleichgewichtet werden. Halte ich beispielsweise Aktien-ETFs, Immobilien-ETFs und Anleihen ETFs, dann bin ich jeweils zu 33,3% investiert. Dazu mehr am Ende dieses Artikels.

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass es den rational handelnden Anleger gibt. Ich denke, dass es vielmehr emotionale und psychologisch motivierte Handlungen der Marktteilnehmer sind, die die Kurse machen. Was meine ich damit genau?

Bei der Portfoliotheorie geht es darum, etwas kontrollierbar zu machen, was nicht zu kontrollieren ist. Es ist deshalb nicht zu kontrollieren, weil es die Zukunft betrifft und die kennt niemand. Das Dilemma besteht für jeden Anleger an der Börse darin, dass er sein Aktiendepot beziehungsweise sein komplettes Portfolio mit allen Assetklassen für eine Zukunft aufstellen muss, die unbekannt ist. Unbekannt bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass in der Zukunft auch eine unbekannte Zahl von möglichen Einflussfaktoren wirken kann. Viele Einflussfaktoren ergeben viele unterschiedliche Varianten der Ergebnisse und das macht jedes System komplex. Wie kann man sich da zurechtfinden?

„Auch wenn sie vielleicht nicht immer helfen, sollte die erste Frage lauten: Können wir eine einfache Lösung für ein komplexes Problem finden? Diese Frage wird selten gestellt. Der erste Reflex ist, nach komplexen Lösungen zu suchen, und wenn die nicht funktionieren, sie noch komplexer zu machen. Das Gleiche gilt im Investmentbereich. Nach finanziellen Turbulenzen, die noch nicht einmal Spezialisten prognostizieren konnten, bieten einfache Faustregeln eine Alternative. Nehmen wir ein komplexes Problem, vor dem viele von uns stehen. Sie haben eine gewisse Summe Geld zur Verfügung und möchten sie investieren. Sie wollen nicht alles auf ein Pferd setzen und ziehen eine Anzahl von Aktien in Betracht. Sie möchten diversifizieren. Aber wie?“

Gerd Gigerenzer, Risiko

Der Klassiker als Antwort auf diese Frage ist die Portfoliotheorie, auch Minimum-Varianz-Methode genannt. Wir haben kurz angerissen, welche Schwächen diese hat. Würden keine Menschen an den Kapitalmärkten agieren, wäre diese Theorie wahrscheinlich der heilige Gral. Was stört, ist der Mensch, der handelt. Deshalb schlägt Einfachheit im realen Leben das Komplizierte.

Ein diversifiziertes Portfolio müsste, nach Gerd Gigerenzer, wenn es ganz einfach aufgebaut wird, so aussehen – 1/N. Noch einmal: 1/N bedeutet, dass ich meine Ressourcen auf N Alternativen verteile! Entsprechend sollten die verschiedenen Assetklassen im Portfolio gleichgewichtet werden. Halte ich beispielsweise Aktien-ETFs, Immobilien-ETFs, Anleihen-ETFs und Cash, dann sind in jeder dieser Assetklassen jeweils 25% meines Vermögens investiert. Das ist 1/N. Natürlich gibt es diverse Studien, die das Ganze für die Vergangenheit getestet haben.

„Bei den meisten der sieben Tests schnitt 1/N nach den üblichen Leistungskriterien besser ab als die Minimum-Varianz-Methode. Mehr noch, keine der anderen zwölf komplexen Methoden prognostizierte den künftigen Wert der Aktien durchgehend besser. Ist also die nobelpreisgekrönte Methode ein Schwindel? Nein. Sie ist optimal in einer idealen Welt bekannter Risiken, aber nicht notwendigerweise in der ungewissen Welt des Aktienmarkts, in der so vieles unbekannt ist.“

Gerd Gigerenzer, Risiko

Sehr viele Akteure an den Finanzmärkten verknüpfen Komplexität mit Wissenschaftlichkeit. Für sie können Investmentstrategien nicht kompliziert genug sein. Was kompliziert ist und womöglich noch wissenschaftlich bewiesen, das gibt diesen Anlegern Sicherheit und ein Gefühl der Überlegenheit. Einfachen, simplen Strategien stehen diese Marktteilnehmer skeptisch gegenüber. 

Um das Komplexe bei der Vorhersage der richtigen Aktie oder des optimalen Portfolio-Mix zu untermauern, geht man üblicherweise so vor, Daten aus der Vergangenheit so zu verwenden, dass daraus zukünftige Ergebnisse abzuleiten sind. Die aus der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse werden in statistische Wahrscheinlichkeiten verpackt und sorgen dafür, eine Entscheidung für die Ausrichtung eines Portfolios in der Zukunft zu treffen. Was bei aller wissenschaftlichen Vorgehensweise vergessen wird, ist die simple Tatsache, dass diese Entscheidung immer in einer Umgebung der Unsicherheit getroffen wird. Warum ist das so? 

In jedem Moment, in dem wir eine Entscheidung treffen, wissen wir niemals, welches Ergebnis diese Entscheidung bringen wird. Wir haben eine Vermutung über einen möglichen Ausgang unserer Entscheidung, aber sicher sein können wir nicht. Welche Sicherheit bieten dann Daten aus der Vergangenheit bei der Zusammenstellung eines gut diversifizierten Portfolios für die Zukunft? Sind sie eventuell einfach nur eine Art emotionale Rückversicherung für den Anleger? Damit er als einzeln handelnder Mensch nicht zu der desillusionierenden Erkenntnis kommt, dass er eigentlich an den Finanzmärkten unterwegs ist wie ein blinder Autofahrer in einem Tunnel? 

Diversifikation und Portfoliomanagement: Halte es einfach!

Wenn große Unsicherheit in einem Entscheidungsprozess herrscht und wenn die zur Verfügung stehenden Daten zu komplex sind, um sie sicher und aussagekräftig zu verwenden, dann sollte man die Dinge einfach halten. 

„Je komplexer also die Methode, desto mehr Faktoren müssen geschätzt werden, und desto größer wird der varianzbedingte Fehler. 1/N liefert immer die gleiche stabile Empfehlung, denn die Methode benötigt keine Investmentdaten aus der Vergangenheit. Aus diesem Grund wird sie nicht durch Varianz beeinträchtigt. Wenn die Datenmenge sehr groß ist – etwa 500 Jahre umfasst –, wird die Instabilität so weit reduziert, dass sich die Komplexität schließlich auszahlt.“ 

Gerd Gigerenzer, Risiko

500 Jahre – das ist eine Zeitspanne, die wahrscheinlich kein Anleger für seine Investments vorgesehen hat. Deshalb macht es absolut Sinn, auf den Großteil dieser Daten und komplexen Berechnungen und anderer Vorhersagesysteme zu verzichten. Stattdessen werden Strategien eingesetzt, die sich so einfach wie möglich darstellen lassen und die so einfach wie möglich umsetzbar sind. Sie sollten wenige, aber klare Regeln haben und sie sollten vor allem robust sein, um bei außergewöhnlichen und seltenen, aber nicht auszuschließenden Ereignissen in der Zukunft das zu tun, was wirklich wichtig ist – das Kapital im Portfolio weitestgehend zu schützen und dafür zu sorgen, dass ein Risk of Ruin ausgeschlossen werden kann. 

„Wie weit wir bei der Vereinfachung gehen, hängt von drei Merkmalen ab. Erstens, je größer die Ungewissheit, desto mehr sollten wir vereinfachen. Je geringer die Ungewissheit, desto komplexer sollte die Methode sein. Der Aktienmarkt ist insofern außerordentlich ungewiss, als er sich sehr schlecht vorhersagen lässt. Das spricht für eine einfache Methode wie 1/N. Zweitens, je mehr Alternativen, desto stärker sollten wir vereinfachen; je weniger, desto komplexer darf es sein. (…) Im Gegensatz dazu wird 1/N nicht durch mehr Alternativen beeinträchtigt, denn es verlangt keine Schätzungen anhand früherer Daten. Schließlich gilt: Je mehr Daten vorhanden sind, desto besser für die komplexen Methoden. Daher lohnen sich die Markowitz-Berechnungen – wie oben erwähnt – erst dann, wenn 500 Jahre lang Börsendaten vorliegen. Die verschiedenen Faktoren beeinflussen sich: Wenn es nur 25 statt 50 Alternativen gibt, sind nur rund 250 Jahre Börsendaten erforderlich.“ 

Gerd Gigerenzer, Risiko

Gigerenzer hielt einmal einen Vortrag vor Managern einer großen Bank, in dem er seinen Ansatz von 1/N erklärte. In einer Kaffeepause kam ein hochrangiger Bankmanager zu ihm geschlendert. Er gratulierte Gigerenzer und sagte sinngemäß, dass dessen Rückschlüsse in Bezug auf Risiko und Diversifikation absolut vernünftig klingen. Gigerenzer fragte ihn, warum er dass dann nicht anwendet und in seinen verwalteten Depots umsetzt. Die Antwort des Bankers lautete:

„Ich habe mich davon überzeugt, dass einfach besser ist. Aber da liegt mein Problem. Wie erkläre ich das meinen Kunden? Die könnten doch sagen, das kann ich selber!“ 

Gerd Gigerenzer, Risiko

Das Fazit von Diversifikation und Portfoliomanagement

„Es geht darum, alles so einfach wie möglich zu machen, aber nicht einfacher.“ 

Albert Einstein

Einsteins Regel ist eine allgemeine Formulierung der Tatsache, dass in einer ungewissen Welt weniger mehr sein kann. (Gerd Gigerenzer „Risiko“)

Photo by Nathan Dumlao on Unsplash

Tags: Diversifikation, Finanzblogger, finlog, Investmentstrategie, Markowitz, Portfoliomanagement, Riskmanagement

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Danke für diesen Beitrag.
    Das Buch habe ich auch angefangen zu lesen. Bin aber bei einem anderen Buch „Richer, Wiser, Happier“ von William Green zurzeit. Damit bin ich noch nicht fertig, aber ich kann es dir sehr empfehlen, wenn du es noch nicht kennst.

    Keep it simple funktioniert für mich eh ganz gut, da ich nicht der klügste Typ bin. Ich kaufe (aus meiner Sicht) gute Unternehmen und hoffe das sich mein Investmentcase erfüllt.

    Keep it up ! Ich lese deine Beiträge gerne. Die meisten unterschätzen den psychologischen Faktor beim Investieren. Ich schreibe ja selber gerne ab und an solche Beiträge.

    Gruß

    Antworten
    • Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar. Und das von dir angesprochene Buch von William Green kenne ich, aber muss es noch lesen. Habe aber bisher nur Gutes gehört. Beste Grüße, Tino

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