Gerade der Sektor der Halbleiter-Aktien ist naturgemäß besonders volatil. Anleger brauchen hier entweder ein gutes Timing für ihre Investments oder starke Nerven. Doch warum ist die Schwankungsbreite bei diesen Aktien so hoch? Wieso nennt man das „Schweinezyklus“ und wo stehen die Halbleiter-Aktien aktuell in ihrem Zyklus?
Das Moore’sche Gesetz postuliert Wachstum!
Das Moore’sche Gesetz besagt, dass sich die Rechnerkapazität von Computern respektive von den verwendeten Speicherchips alle zwei Jahre verdoppelt, während sich die Kosten für die Herstellung und Entwicklung der Speicherchips und der Computer im selben Zeitraum halbieren.
Diese Überschlagsrechnung lässt sich auf viele Bereiche in der Technologie anwenden. Wir sprechen von exponentiellem Wachstum. Das ist etwas, was der Mensch sich trotz aller Anstrengung einfach nicht vorstellen kann. Unser Gehirn ist nicht dafür „gemacht“, diese Vorstellungskraft für exponentielles Wachstum zu entwickeln. Deshalb kommen technologische Revolutionen auch so plötzlich und überraschend für die Masse. Gestern noch Geheimtipp für ein paar Nerds – heute schon in der massenhaften Adaption. Der Tipping Point lässt grüßen.
Wachstum entwickelt sich zyklisch!
Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Exponentielles Wachstum wie gerade beschrieben ist nur im big picture zu erkennen. Doch diese grundsätzliche Richtung wird regelmäßig unterbrochen von kräftigen Abschwüngen. Man spricht in diesem Zusammenhang in der Wirtschaft vom „Schweinezyklus“.
Was ist der „Schweinezyklus“?
Der Begriff wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von den Ökonomen Ezekiel und Haas in den USA erstmals aufgegriffen. Beide forschten im Bereich der Marktzyklik und konnten einen Zusammenhang zwischen Investitionen und Angebotspreisen am Beispiel von Schweinefleisch feststellen.
Der Zyklus beginnt bei hohen Marktpreisen für Schweinefleisch. In dieser Phase investieren die Züchter viel Geld in die qualitative Verbesserung der Zucht. Produktionsanlagen werden ausgebaut und erweitert. Da die verbesserten Ergebnisse aber wegen der Aufzuchtzeit der Tiere nicht unmittelbar am Markt eingepreist werden können, gibt es einen Verzögerungseffekt. Ist dieser überwunden, kommt mit einem Schlag mehr und besseres Angebot auf den Markt. Die Folge davon ist ein Preisverfall bei Schweinefleisch aufgrund des hohen Angebots. Die Züchter und Lieferanten reagieren darauf, indem sie ihre Produktion herunterfahren. Das passiert nicht von heute auf morgen. Wieder tritt der Verzögerungseffekt auf. Das Angebot wird also geringer, während die Produktion gedrosselt wird. Irgendwann ist das Angebot allerdings so gering geworden, dass aufgrund gleicher oder womöglich gestiegener Nachfrage die Preise für Schweinefleisch wieder anziehen. Der Kreislauf beginnt von vorn.
Der Schweinezyklus ist bestimmend für viele Wirtschaftsbereiche.
Dieser Zyklus ist in vielen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens festzustellen. Jeder kennt das Phänomen von „Mode-Studiengängen“. Auf einmal wollen gefühlt alle Abiturienten Lehrer werden oder Betriebswirtschaftler. Das führt zu einem größeren Angebot am Arbeitsmarkt bei diesen Fachkräften. Der Markt kann aber nur eine bestimmte Anzahl dieser Fachkräfte aufnehmen. Das Überangebot führt auch hier zu fallenden beziehungsweise stagnierenden Gehältern oder höherer Arbeitslosigkeit in diesen Berufen.
Der Schweinezyklus bei Halbleiter-Aktien
Womit ich bei den Halbleiter-Aktien bin. In dieser Branche macht sich der „Schweinezyklus“ stärker bemerkbar als in anderen. Deshalb kann man an den Gewinn-Entwicklungen und den Aktienkursen bei großen Halbleiter-Unternehmen wie Intel, Broadcom, Nvidia oder AMD respektive einem Semiconductor-ETF sehr gut abschätzen, wo sich die Wirtschaft insgesamt gerade befindet. Das bedeutet nicht, dass man es hier mit einer Art Ampel-System zu tun hat, welches anzeigt, wann man an der Börse investiert sein sollte und wann nicht. Aber als Indikator für den Zustand der Wirtschaft eignet sich der Sektor der Semiconductors sehr gut.
Automatisierung und Digitalisierung machen vor keinem Sektor Halt. Deshalb werden schnellere und bessere Speicherchips fast in jeder Branche gebraucht. Das hat in den vergangenen Jahren für regelmäßige Preissteigerungen bei Speicherchips geführt. Die Hersteller haben prächtig verdient und die Aktionäre konnten sich über satte Kursgewinne und teilweise ordentliche Dividendenausschüttungen freuen. Das Geld wurde von den Firmen natürlich auch für Investitionen verwendet. Dies könnte zeitverzögert für erhöhte Kapazitäten sorgen. Wir erinnern uns an die Schweinezüchter: Alles passiert zeitverzögert. Wenn die neuen Kapazitäten der Chiphersteller am Markt sind, könnte schnell ein Überangebot entstehen. Allein der harte Konkurrenzkampf der Unternehmen im Semiconductor-Bereich hat bisher immer schnell dafür gesorgt, dass die Verkaufspreise für Speicherchips fallen. Denn die hohen Kapazitäten aus der Produktion müssen verkauft werden. Im Lager nützt das nichts. Im Lager bringen Produkte keinen Profit. Also werden die Investitionen herunter gefahren, damit weniger Lagerbestände aufgebaut werden. Wenn die Nachfrage das Angebot wieder übersteigt, dann steigen auch die Preise für Speicherchips wieder. Der Schweinezyklus beginnt von vorn.
Wo stehen die Aktienkurse der Halbleiter-Unternehmen aktuell?
Ich habe mir die 2-Jahrescharts (Weekly) der größten Player des Sektors einmal angeschaut. Die Screenshots sind vom 8. Juli 2019. Den Anfang macht ein Semiconductor-ETF, der sozusagen die komplette Branche abdeckt und aufzeigt, wo die Halbleiter-Aktien aktuell notieren.





Wie man schnell erkennen kann, ähneln sich die Verläufe der hier abgebildeten Charts. Der Chart des Sektor-ETF verstärkt nur diesen Eindruck. Man könnte daraus schließen, dass sich der Schweinezyklus bei Halbleiter-Aktien seinem aktuellen Verlaufshoch annähert. Investierte in Halbleiter-Aktien sollten ihre Positionen zumindest engmaschig absichern oder beobachten.
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