Entscheidungen müssen wir permanent treffen. Das betrifft nicht nur Investments, sondern alle Lebensbereiche. Ein guter Grund, um sich mal Gedanken zu machen, wie eigentlich Entscheidungen zustandekommen und wie wir bessere Entscheidungen treffen können.
Was liegt unseren Entscheidungen zugrunde? Was passiert im Kopf, wenn wir eine Entscheidung treffen wollen? Rational betrachtet wägen wir die uns bekannten Vor- und Nachteile sorgfältig ab und treffen anschließend eine Entscheidung. Bullshit! Das ist nur die schöne Theorie. Die meisten unserer Entscheidungen sind alles andere als rational. Sie sind emotional aufgeladene Äußerungen, die zum großen Teil auf Heuristiken beruhen.
Entscheidungen werden oft durch Abkürzungen beim Denkprozess getroffen!
Bei Heuristiken handelt es sich um Vereinfachungen und damit um Abkürzungen beim Denkprozess. Diese Abkürzungen basieren auf ähnlichen Situationen, in denen wir in der Vergangenheit waren und unseren damals getroffenen Entscheidungen. Sie basieren weiterhin auf unseren Vorlieben, Vorurteilen, der sozialen Prägung und dem Gruppenverhalten. Dieser sehr komplizierte Mix ist es, aus dem heraus wir die meisten unserer Entscheidungen treffen.
Der größte Irrtum dabei ist anzunehmen, dass wir gegen eine andere Person oder andere, von uns losgelöste Ereignisse wetten, wenn wir eine Entscheidung treffen. Das ist im Allgemeinen die Annahme, wenn wir eine Situation einschätzen und unsere Entscheidung treffen, wie wir mit dieser Situation umgehen. Dass wir gegen irgend etwas außerhalb von uns wetten. Aber diese Annahme ist falsch.
Im zweiten Teil meiner Reihe von Buchtipps in meinem Podcast „Schwimmen lernen“ habe ich das Thema Entscheidungsfindung angesprochen, um auf das empfehlenswerte Buch „Thinking in Bets“ von Annie Duke hinzuweisen. Annie Duke war jahrelang professionelle Pokerspielerin und hat als eine der wenigen Frauen in dem Geschäft Millionen Dollar verdient. Ihr großer Vorteil war, dass sie vor ihrer Karriere als Spielerin Psychologie studiert hat. Dieser Mix brachte sie dazu, intensiv über Entscheidungsfindung nachzudenken. Ihre Erkenntnisse waren folgende:
Gute Pokerspieler sind sich bewusst, dass sie sich für alternative Zukunftsperspektiven entscheiden, die jeweils mit Vorteilen und Risiken verbunden sind. Sie wissen, dass es keine einfachen Antworten gibt. Dinge, die in der Zukunft liegen, sind nun einmal unbekannt oder nicht zu wissen. Interessant fand ich beim Lesen den Aspekt, dass die meisten Wetten Wetten gegen uns selbst sind.
Wir wetten immer gegen uns selbst!
Bei den meisten unserer Entscheidungen wetten wir nicht gegen eine andere Person oder etwas, das außerhalb von uns existiert. Vielmehr wetten wir gegen alle zukünftigen Versionen von uns selbst. Warum ist das so? Weil wir uns bei unseren Vermutungen Ergebnisse vorstellen, wie wir sie uns wünschen und so unsere Entscheidungen treffen. Wir wetten gegen uns selbst. Objektiv ist das nicht.
Wir denken, dass wir gegen äußere Umstände und Szenarien agieren – aber das stimmt nicht. Die Dinge sind, wie sie sind. Sie sind in ihrem puren Da-Sein ohne Wertung. Wir erst geben ihnen durch unsere Einschätzung und Beurteilung eine Wertung. Wir machen diese Umstände zu etwas, dass wir umgehen, durchleiden oder freudig begrüßen können. Und wir denken, dass wir dann unsere Entscheidungen gegen diese Einflüsse, Umstände treffen. Aber wir wetten gegen uns selbst. Immer. Unsere Gefühle geben den Dingen und Situationen, mit denen wir konfrontiert sind, erst eine Bedeutung. Es sind immer die Dämonen in uns, gegen die wir antreten.
Ich wette also immer gegen eine zukünftige Version von mir selbst, wenn ich künftige Ereignisse antizipieren will. Und je wahrscheinlicher dieses von mir erwartete Ereignis eintritt, desto höher ist mein Wetteinsatz oder meine Zuversicht, dass alles so passiert, wie ich es mir vorstelle..
Dazu ein Beispiel: Wenn du von Dresden nach Berlin mit dem Zug fährst, dann kannst du darauf wetten, ob der Zug Verspätung hat und wenn ja wie viel. Du platzierst diese Wette, bevor du in den Zug steigst. Wenn dieser Zug auf dem Weg nach Berlin verschiedene Haltestellen anfährt, dann kannst du, je näher du an deinem Zielort bist, überprüfen, ob der Zug in seinem Zeitplan ist. Wenn der Zug in Berlin Südkreuz hält und du nur noch eine Haltestelle bis zum Hauptbahnhof Berlin fahren musst, dann kannst du auf deiner Uhr sehr sicher voraussagen, ob der Zug pünktlich Hauptbahnhof ankommen wird oder wie viel Verspätung er haben wird.
Das kannst du in Berlin Südkreuz viel besser als in Dresden Neustadt, wenn der Zug einfährt. Du kannst also, wenn du in Südkreuz bist, deinem Wetteinsatz erhöhen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du deine Wette gewinnst, ist gestiegen, denn es sind nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel.
Bezogen auf Trading ist dieses Vorgehen nichts anderes als Pyramidisieren oder eine laufende Position verstärken. Wie gehe ich normalerweise bei einem Trade vor? Ich teste meine Erwartung auf ein künftiges Ereignis mit einer festgelegten Positionsgröße, die auch mein maximales Risiko beinhaltet. Das maximale Risiko lege ich fest für den Fall, dass meine Idee von Anfang an falsch ist und die Position gegen mich läuft. Je weiter sich der Kurs der Aktie in meine Richtung bewegt und je mehr Zeit bei dieser Kursbewegung vergeht, je nachhaltiger diese Bewegung also ist, desto größer darf meine Position sein.
Ich kannst dann zu der Anfangsposition noch weitere Aktien dazu kaufen, denn der Markt hat mir meine Vermutung bestätigt, indem der Kurs der Aktie steigt.
Dieses Beispiel zeigt, was Annie Duke meint, wenn sie sagt, dass wir niemals gegen äußerliche Einflüsse wetten oder gegen andere Personen. Wir wetten immer gegen eine zukünftige Version von uns selbst. Diese zukünftige Person ist die, die eine Annahme trifft im Heute über etwas, was in der Zukunft passieren könnte. Diese Wahrscheinlichkeiten kann ich prozentual festlegen. Und entsprechend meine Positionsgröße wählen.
Auch hier geht es natürlich noch komplizierter, wenn man will. Damit komme ich zu einem Gedanken von Annie Duke, der noch deutlicher macht, womit ich es zu tun habe bei Entscheidungsfindung.
Ein wichtiger Gedanke im Buch von Annie Duke beschäftigt sich damit, Entscheidung und Resultat voneinander zu trennen und getrennt zu betrachten und zu analysieren.
Entscheidungen und Resultate sollten getrennt voneinander beurteilt werden!
Im wahren Leben sehen wir Entscheidung und Resultat meistens als ein Ganzes und beurteilen das auch als Ganzes. Wir haben eine Entscheidung getroffen für den Kauf einer Aktie und machen einen guten Gewinn mit dem Trade. Das machen wir fünf Mal hintereinander. Und schon denken wir, dass wir immer, wenn wir diese bestimmte Entscheidung mit den selben Kriterien treffen, einen sicheren Gewinn erzielen werden.
Das Verrückte ist, dass bei dieser Sichtweise Entscheidung und Resultat zu einem zusammenhängenden Muster werden. Muster zu erkennen ist eine der beliebtesten Abkürzungen, die im Gehirn beim Denken genommen werden. Muster helfen uns, die Welt und die Dinge, die in unserer Umgebung passieren, einfach und verständlich zu betrachten. Entscheidung und Resultat als ein zusammenhängendes Muster zu betrachten, führt jedoch in der Regel zu fatalen Fehlern bei künftigen Entscheidungen. Die Muster, von denen ich spreche, sind die sogenannten Serien, die wir erkennen und aus denen wir einen Rückschluss ziehen, der überhaupt nicht logisch ist. Wenn wir fünf Trades im Gewinn beendet haben, muss der sechste Trade automatisch auch ein Gewinner werden, oder? Eine Serie ist nichts anderes ist als ein Muster.
Bin ich die letzten drei Mal von Dresden nach Berlin mit dem Zug gefahren und hatte dieser Zug immer Verspätung, dann komme ich ganz ohne Not zu der Einschätzung, dass er auch bei der vierten Fahrt Verspätung haben wird und werde entsprechend eine Wette platzieren. Weil ich eine Serie, ein Muster erkannt habe. Wette ich gegen den Zug oder gegen den Zugfahrplan? Nein. Ich wette nur gegen mich selbst. Ich wette gegen meine Vermutung, dass der Zug wieder zu spät kommen wird wie bei den vorherigen drei Malen. Das ist die kognitive Verzerrung, die Richard Thaler als „hot hands“ bezeichnet.
Entscheidungen: Unser Gehirn sucht Muster und findet sie!
Das inzwischen berühmte Beispiel mit den „hot hands“ funktioniert so: Bei einem Basketballspiel wirft ein bestimmter Spieler fünf Mal hintereinander den Ball erfolgreich ins Netz. Also ist für die meisten Menschen die Annahme klar, dass er auch beim sechsten Wurf den Ball im Netz versenken wird – einfach deshalb, weil dieser Spieler ein Profi ist und die vergangenen fünf Male der Ball im Korb landete.
Das ist das Problem mit Serien, denn es besteht natürlich die 50-prozentige Chance, dass dieser sechste Ball nicht ins Netz geht. Unsere Annahme über eine Serie aus der Vergangenheit sollte nicht dazu führen, dass man diese Serie in die Zukunft fortschreibt.
Bezogen auf Trading oder eine Investition bedeutet das – jeder Trade ist ein neuer Trade und muss unabhängig von der Vergangenheit beurteilt und gemanagt werden. Und es zeigt auch, dass eine Entscheidung für oder gegen irgendein künftiges Ereignis nicht zwangsläufig zu dem gleichen Resultat führt wie in der Vergangenheit geschehen.
Entscheidungen: Meine wichtigsten Tipps!
Wir neigen dazu, beim Denken Abkürzungen zu verwenden. Diese führen dazu, dass wir Muster suchen und oft welche erkennen, obwohl es gar keine Muster gibt.
Wir stellen Zusammenhänge her, wo oft gar keine sind.
Aufgrund dieser kognitiven Verzerrung geben wir Serien eine viel zu große Bedeutung bei unseren Entscheidungen.
Entscheidungen und daraus resultierende Resultate haben keinen Zusammenhang und garantieren nicht, dass das selbe Resultat wieder eintritt, wenn wir die selbe Entscheidung unter gleichen Bedingungen treffen.
Entscheidung und Resultat sollten getrennt betrachtet werden.
Noch ein Tipp: Man sollte vermeiden, seine eigenen Annahmen zuerst zu analysieren. Macht man das, setzt man sich unbewusst Anker im Kopf, die eine Überprüfung durch externe Daten und Fakten beeinflussen. Ich suche mir dann nur noch die Fakten heraus, die meine subjektive These stützen und ignoriere gegenteilige Fakten. Besser ist es, erst die externen Fakten und Quellen zu prüfen und danach meine eigene Beurteilung einzubringen, um zu einer besseren Einschätzung zu kommen. Dabei kann ich Wahrscheinlichkeiten prozentual festlegen, die ich verschiedenen Szenarien zuordne.
Auf diese Weise komme ich zu besseren Entscheidungen bei meinem Handeln. Fehler passieren dann immer noch genug, aber wenn es weniger sind als vorher, ist das schon ein großer Fortschritt.
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