Entscheidungsprozesse optimieren ist meiner Meinung nach der Schlüssel zu besserer Performance in jedem Lebensbereich. Einige Gedanken von mir zu diesem wichtigen Thema.
Wenn wir beim Lernen und daraus folgend beim Verbessern der eigenen Fähigkeiten uns ausschließlich auf die Ergebnisse fokussieren, bekommen wir eine verzerrte Darstellung unserer Fähigkeiten.
Wir wollen eine Rückmeldung haben, ob unsere Fähigkeiten zu akzeptablen Ergebnissen führen. Dafür verwenden wir meistens unsere Ergebnisse als Maßstab. Aus diesen Ergebnissen schließen wir auf unsere Fähigkeiten. Leider ist das der falsche Weg. Das führt zu einer verzerrten Wahrnehmung unserer Fähigkeiten.
Wenn wir das Ergebnis aus einer Entscheidung erzielt haben, können wir nicht wissen, wie groß der Anteil von Glück und Zufall bei dem Ergebnis war. Wir können in diesem Moment in die Falle tappen zu denken, dass das Ergebnis einzig und allein aus unseren hervorragenden Fähigkeiten resultiert. Aber wir können den Einfluss von Zufall und Glück nicht einschätzen. Weil wir ihn nicht kennen. Und weil wir ihn ignorieren.
„Wir konzentrieren uns auf das, was wir tun wollen und können, und vernachlässigen die Pläne und Fähigkeiten der anderen. Sowohl bei der Erklärung vergangener Ereignisse als auch bei der Vorhersage der Zukunft konzentrieren wir uns auf die kausale Rolle von Fähigkeiten und vernachlässigen die Rolle des Zufalls. Wir konzentrieren uns auf das, was wir wissen, und vernachlässigen das, was wir nicht wissen, sodass wir die Richtigkeit unserer Überzeugungen überschätzen.“
Daniel Kahneman
Wenn wir unsere Ergebnisse aber stabil im positiven Bereich halten wollen, müssen wir einen Weg finden, Glück und Zufall in die Beurteilung einfließen zu lassen. Nur so können wir unterscheiden, ob es wirklich unsere Fähigkeiten sind, die das Ergebnis hervorgebracht haben.
Entscheidungsprozesse optimieren: Glück und Zufall sollten berücksichtigt werden!
Wie können wir das in der Praxis umsetzen? Wenn wir den Entscheidungsprozess detailliert schriftlich festhalten, können wir den Rückschluss durchführen, welchen Anteil unsere eigenen Fähigkeiten am Ergebnis haben und welchen Anteil Glück und Zufall haben.
Warum uns dieser Prozess der Unterscheidung so schwer fällt, hat Annie Duke in ihrem Buch „Thinking in Bets“ ausführlich beschrieben. Auf meine Learnings aus diesem Buch gehe ich in einem der nächsten Blogartikel ein. Wie fast immer bei solchen Fragen ist es unser Gehirn und unser evolutionär geprägtes Denkverhalten, das zu dieser Art verzerrter Wahrnehmung führt.
Die Masse der Menschen glaubt, was sie hört und liest. Aber kaum jemand prüft die gehörten oder gelesenen Informationen nach. Wer überprüft schon die vielen kleinen Infos, die er heutzutage auf Social media attraktiv verpackt oder ganz nebenbei erhält? Bei dieser Menge an Informationen ist dafür keine Zeit.
Die Erklärung dafür, warum wir uns so verhalten, ist simpel. In frühgeschichtlichen Zeiten, als es noch keine Schrift gab, wurden Erfahrungen ausschließlich durch eigenes Handeln erzielt. Es gab keine Möglichkeiten, Dinge außerhalb der eigenen Erfahrung zu überprüfen. Es gab auch gar keinen Grund, das zu tun. Durch persönliche Erfahrung hat man Dinge ausprobiert, daraus gelernt und ein konkretes Verhalten in bestimmten Situationen abgeleitet. Das Gehirn hat dieses „Versuch-und-Irrtum-System“ im Laufe der Zeit automatisiert. Das Verhalten richtete sich entsprechend danach. Es erfolgte reflexartig und schnell. Überprüfung des automatischen, reflexartigen Verhaltens ist nicht notwendig, denn man braucht nichts überprüfen, was man selber erfahren hat.
So funktioniert unser Gehirn noch heute. Die meisten unserer Entscheidungen passieren reflexartig und aus dem Bauch heraus. Siehe auch mein Artikel zum Buch von John Bargh „Vor dem Denken“.
Heute machen wir nur noch sehr wenige praktische Erfahrungen. Dafür hören wir umso mehr von den Erfahrungen und Meinungen anderer. Unser Gehirn ist allerdings immer noch auf dem Stand von damals. Das bedeutet: Wir überprüfen das Gehörte nicht. Das bringt uns natürlich in Schwierigkeiten in bestimmten Situationen, zum Beispiel bei Fragen rund um Finanzen.
Wenn wir etwas über aussichtsreiche Aktien hören oder über bestimmte Aussagen von einem „Experten“ zur Entwicklung an den Finanzmärkten oder über Strategien, mit denen man reich wird etc., dann sind wir sehr leicht bereit, diesen Aussagen Glauben zu schenken und sie für unsere eigenen Entscheidungen als Grundlage zu verwenden. Wir tun das, weil diese Meinungen mit unseren persönlichen Wünschen übereinstimmen. Es ist bequemer, etwas einfach zu glauben statt es kritisch zu prüfen.
Die Folgen daraus sind, dass wir oftmals Entscheidungen aus „zweiter Hand“ als unsere eigenen ansehen.
Wenn wir so vorgehen, können wir nicht wissen, wie gut oder schlecht unsere Entscheidungen sind. Zumal wir ja dann noch, wie schon erwähnt, zu der falschen Kausalität kommen, dass die Ergebnisse dieser Entscheidungen ausschließlich aufgrund unserer hervorragenden Fähigkeiten zustande gekommen sind.
Zusammengefasst: Unsere Entscheidungen basieren fast immer auf den Meinungen anderer. Wir überprüfen diese Meinungen nicht. Wir übernehmen sie und wir übernehmen sie nur zu gern, wenn sie unsere eigene Meinung bestätigen (confirmation bias).
Warum essen wir heute runde Schnitzel?
Zu welchen absurden Handlungen dieses Nicht-Hinterfragen von Handlungen führen kann, zeigt folgendes Beispiel.
Eine Person bereitet Essen zu. Weil in der Familie schon immer gern Schnitzel gegessen wurden, gibt es oft Schnitzel. Die Schnitzel sind jedoch rund. Niemand in der Familie wundert sich darüber. Bis eines Tages eine fremde Person beim Essen sitzt und fragt: „Wieso sind eure Schnitzel eigentlich rund?“ Keiner weiß es. Jemand fragt bei der Mutter nach, die auch schon immer runde Schnitzel gebraten hat. Die Mutter sagt: „Das habe ich mir angewöhnt, weil unsere Pfanne früher viel zu klein für die Schnitzel war und ich deshalb die Ecken wegschneiden musste.“
Ich kann mich leider nicht mehr an die Quelle dieser Anekdote erinnern, es könnte bei Kahneman „Schnelles Denken, langsames Denken“ erwähnt sein. Was wir sehen – Gewohnheiten sind eine merkwürdige Sache. Zu gern nehmen wir Dinge einfach so hin, weil es schon immer so war. Wir hinterfragen nicht. Wir glauben es einfach so. Wir hinterfragen auch nicht, wenn wir eine Analyse zu einer Aktie lesen. Die Aktie ist wie das runde Schnitzel.
Wie könnte man diesen Prozess, der wie ein Karussell uns immer wieder zu den gleichen Entscheidungen führt, die auf den immer gleichen Annahmen basieren, verändern?
Ein Hilfsmittel ist die von mir schon oft erwähnte Checkliste, die auf rein quantitativen Kriterien beruht. So eine Checkliste funktioniert übrigens für Fundamentalanalyse genauso wie für die technische Analyse von Aktien oder Indices.
Wie man eine Checkliste für sein Handeln an der Börse erstellen kann, habe ich in meinem Artikel über kognitive Verzerrungen beschrieben.
Ich möchte aber noch auf eine andere Möglichkeit hinweisen.
Entscheidungsprozesse optimieren durch Teamwork!
Wir haben herausgefunden, dass wir Schwierigkeiten haben, objektive Entscheidungen zu treffen. Eine Ausgangssituation, die wie gemacht ist für Wissenschaftler und Psychologen. Diverse Studien deuten schon seit längerem darauf hin, dass Gruppen meist bessere Entscheidungen treffen. Vorausgesetzt, in diesen Gruppen werden verschiedene Meinungen zugelassen. Siehe mein Artikel zu der Buchvorstellung „Noise“ von Kahneman, Sibony und Sunstein.
Ein bekanntes Beispiel aus diesen Forschungen ist das Schätzen von einer Anzahl Kugeln in einem großen Glas. Die Teilnehmer der Studie mussten einzeln und anonym eine konkrete Zahl aufschreiben, wie viele Kugeln sich in dem Glas befinden. Die Abweichungen waren teilweise enorm. Aber der statistische Mittelwert aller Schätzungen kam sehr nahe an die tatsächliche Anzahl von Kugeln in dem Glas heran.
Gruppen treffen keine so schlechten Entscheidungen. Nur geht es nicht immer um das Schätzen von Kugeln in einem Glas. Meistens sind die Fragestellungen, die uns beschäftigen und aufgrund derer wir Entscheidungen treffen müssen, komplexer. Ja und Nein reicht da nicht als Antwort. Aber gerade bei komplexen Fragestellungen ist die Gruppe im Vorteil. Aber nur, wenn ein Auswahlprozess aus den verschiedenen Meinungen der Gruppenmitglieder getroffen wird.
Wenn eine Gruppe so funktioniert, dass ein Anführer seine Meinung äußert und die Gruppe so zusammengestellt ist, dass sich in ihr nur Nachahmer und Befürworter dieses Anführers befinden, dann wird das Ergebnis dieser Gruppe niemals divers sein. Eine Gruppe, die relevante Ergebnisse erzielen soll, muss Personen integrieren, die unterschiedliche Meinungen haben und diese Meinungen müssen unbeeinflusst in den Entscheidungsprozess einfließen.
Im Börsengeschäft ist es schade, dass es unter Privatanlegern so eine Vorgehensweise nicht gibt. Die großen Investmentbanken und Hedgefonds arbeiten selbstverständlich in Teams und treffen Entscheidungen auf Grundlage von mehreren und voneinander abweichenden Meinungen.
Wir Privatanleger könnten diese Vorgehensweise auch umsetzen. Es ist allerdings oft so, dass zwar jeder einzelne Marktteilnehmer Informationen von überall beziehen kann, diese aber meistens nur bestätigend für die schon vorhandene eigene Meinung verwendet werden. Es gibt eine Vielzahl an Informationen, die der einzelne Privatanleger bei seinen Entscheidungen nutzt, aber Kontra-Indikatoren oder andere Überprüfungsmechanismen nutzen die wenigsten. Letztendlich treffen wir unsere Entscheidung aufgrund der wenigen ausgewählten Informationen, die wir für relevant halten. Kognitive Verzerrungen und Noise sind die logische Folge.
Würden sich Trader und Investoren zu Gruppen zusammenschließen und dort Möglichkeiten, Chancen und Risiken diskutieren, wäre wahrscheinlich der Prozess der Suche nach Wahrheit viel erfolgreicher. Es würde meiner Meinung nach auch zu mehr persönlicher Entwicklung des Einzelnen führen, weil die Gruppe sich insgesamt weiterentwickelt.
Wahrscheinlich sind mangelnde Organisation, Egoismus, Trägheit oder ganz simpel die Gewohnheit des Einzelnen so stark, dass es selten gelingt, eine aktiv handelnde Gruppe und damit eine gemeinsam denkende Gruppe zu bilden. Den Entscheidungsprozess in eine Gruppe zu verlagern wäre möglich – gerade in Zeiten von Social Media. Warum funktioniert so etwas so selten? Oder ist bisher nur noch niemand auf diese Idee gekommen?
Foto von Florian Schmetz auf Unsplash