ETFs sind grundsätzliche eine feine Sache. Ich habe auch einige ETF-Sparpläne. Es fließt konstant mehr Geld in diese passiv gemanagten Anlageinstrumente. Welche Risiken gibt es aufgrund dieser Entwicklung?
Der US-Nachrichtensender CNBC meldete kürzlich, dass passives Management nun 45 Prozent aller Vermögenswerte von US-Aktienfonds ausmacht. Das ist ein Plus von knapp 25 Prozent im Vergleich zu 2009. Die Anleger haben sich zu einem großen Teil wegen ihrer niedrigsten Kosten an ETFs und passive Investmentfonds gewandt.

Also noch einmal: ETFs sind eine großartige Möglichkeit, sich mit überschaubarem Aufwand und geringen Kosten an der Wertentwicklung der großen Aktien-Indizes zu beteiligen. Aber ETFs sind nicht der heilige Gral. Und sie sind keineswegs risikolos.
Kritik an ETFs
Die Kritik an ETFs ist nicht neu. Besonders synthetische ETFs wurden schon immer kritisch betrachtet. Synthetische ETFs gerieten in den Verdacht, Derivate, sogenannte Total Return Swaps, einzusetzen, um ihren Index nachzubilden. Total Return Swaps setzen ETF-Anleger einem Gegenparteirisiko aus – der Wahrscheinlichkeit, dass der Derivate-Anbieter seine Vertragspartei nicht einhält. Die Theorie besagt, dass extreme Marktschocks die großen Finanzinstitute (die Gegenparteien), die Total Return Swaps anbieten, bankrott machen und so das Kapital der Anleger gefährden könnten. (Quelle: Bloomberg)
Im Gegensatz zu den Derivaten im Herzen der Krise von 2008 unterliegen ETFs heutzutage strengen Regeln, die den Schaden begrenzen, den das Versagen der Gegenpartei verursachen kann. Europäische Vorschriften schreiben vor, dass der Kontrahent Sicherheiten in Höhe von 90% des Nettoinventarwerts (NIW) des ETF bei einer unabhängigen Depotbank hinterlegen muss. Sollte ein katastrophales finanzielles Versagen die Gegenpartei zum Erliegen bringen, würden die Sicherheiten verkauft, um die Anleger auszuzahlen. Die Sicherheiten werden täglich neu bewertet und aufgefüllt, wenn die 90% -NAV-Regel nicht eingehalten wird. In der Realität gehen die meisten ETF-Anbieter noch weiter und stellen sicher, dass Sicherheiten im Wert von 110% oder sogar 120% zur Verfügung stehen, um die Anleger abzudecken. Mehr zu synthetischen ETFs erfährst du in diesem Artikel.
Auf der jährlichen Morningstar-Investmentkonferenz 2018 beantwortete John C. Bogle die Frage, ob der Anstieg des passiven Managements ein großes Risiko für den Markt darstellt:
Wenn die Indizierung sogar 50 bis 60 Prozent des Marktes ausmachen würde … wären die Märkte immer noch effizient und funktionieren einwandfrei.“ Er fuhr fort: „Es ist eine vernünftige Frage, aber es gibt keine Beweise dafür, dass dies geschieht. Alle spekulativen Manager halten Apple und Amazon und Alphabet. Aktive Manager besitzen ungefähr den gleichen Prozentsatz dieser Aktien wie die indexgewichteten. Man möchte nicht zu dogmatisch sein, aber ich glaube nicht, dass es signifikante Auswirkungen geben wird.
John C. Bogle 2018
Risiken bei passiven Investmentfonds wie ETFs
Eines der Risiken ist die hohe Konzentration innerhalb des ETF auf wenige Werte. Das geschieht automatisch durch die Wertentwicklungen der Aktien im ETF.
Dazu ein Beispiel: Wenn 10 von 100 Aktien innerhalb eines ETF steigen, die anderen 90 aber leicht fallen, dann haben die 10 gestiegenen Aktien eine höhere Gewichtung im ETF und ziehen den Kurs des ETF (respektive des zugrundeliegenden Index) nach oben. Wenn diese Entwicklung eine Weile anhält und immer die gleichen 10 Aktien im Kurs steigen, werden die kleineren Werte im ETF immer geringer gewichtet und die großen Publikumsaktien blähen den ETF durch ihre steigenden Kurse auf. Der ETF insgesamt verzeichnet steigende Kurse, die aber nur von den genannten 10 Aktien verursacht werden. Wenn bei den wenigen, stark gestiegenen Aktien aufgrund schlechter Unternehmensergebnisse etwas passiert kursmäßig – dann reißen diese paar Aktien den ganzen ETF nach unten. Kürzlich hat der bekannte Hedgefonds-Manager Michael Burry auf dieses latente Risiko bei ETFs hingewiesen. Mehr zu Michael Burry kommt in einem der nächsten Blogposts.
Bogle sagte aber auch etwas Interessantes zu der Verwendung von ETFs allgemein. In dieser Aussage ist noch ein Risiko benannt, was einem spontan wahrscheinlich nicht so schnell eingefallen wäre.
Die Arithmetik legt nahe, dass nur etwa ein Sechstel des ETF-Vermögens von Anlegern gehalten wird, die sich hauptsächlich auf die langfristige Perspektive konzentrieren.
John C. Bogle 2018
Das ist für viele Privatanleger mit Sicherheit neu. Denn in der Öffentlichkeit haben ETFs das Image, ausschließlich für den langfristigen Vermögensaufbau verwendet zu werden. So suggerieren es die Direktbanken, die den Einstieg in passive Investments wie ETFs via Sparplan sehr risikolos bewerben. Doch das ist eben nicht die ganze Wahrheit. Bogle, der es als „Erfinder“ der ETFs wissen muss, weist mit dieser Aussage auf etwas hin, was viele ETF-Anleger wahrscheinlich nicht wissen: Die Masse der ETFs dient kurzfristigen Aktionen an den Finanzmärkten.
ETFs werden zum großen Teil für spekulative Investments verwendet!
Sie sind liquide und man kann einen kompletten Index mit ihnen abbilden. Das macht sie interessant für Spekulanten und als kurzfristiges Absicherungsintrument. Das ist per se nichts Schlechtes. Kurzfristige Spekulanten sind wichtig, damit Finanzmärkte reibungslos funktionieren. Durch ihr permanentes Kaufen und Verkaufen (auch von ETFs) sorgen sie für Liquidität in den Underlyings und für Kurse mit engen Handelsspannen (Spreads). Ohne Spekulanten gäbe es keine Kursfeststellungen für die diversen Finanzprodukte. Ausschließlich mit Buy & Hold-Anlegern sähe es ziemlich trübe aus für Käufer und Verkäufer an der Börse. Es gäbe schlichtweg keine Kurse und entsprechend nur sehr eingeschränkte Handelsmöglichkeiten.
Fazit: Jegliche Investitionen an den Finanzmärkten unterliegen einem Risiko. Der Privatanleger sollte diese Risiken kennen und nur Anlageinstrumente einsetzen, die er auch versteht.
Wer auf der Suche nach guten ETFs mit Schwerpunkt Dividendenrendite ist, kann sich in diesem Artikel ein paar Anregungen holen.
Keine Anlageberatung!
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