Hedgefonds und Hedgefonds-Manager umgab schon immer eine geheimnisvolle Aura. Von der Masse bis heute unverstanden, sind sie seit Jahrzehnten ein Teil der Finanzbranche und spielten im Laufe der Jahrzehnte eine immer größere Rolle. Das Buch „Mehr Geld als Gott“ (Finanzbuchverlag) von Sebastian Mallaby führt den interessierten Leser von den Anfängen über die „wilden Jahre“ bis in die heutige Zeit. Und weil es ein gutes Buch ist, erfährt der Leser viel Neues.
Richtig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangten Hedgefonds in den 1980-er Jahren, als Titanen der Branche wie George Soros gegen das britische Pfund wetteten und Milliarden damit verdienten. Aber die Anfänge von Hedgefonds liegen noch viel weiter zurück.
Hedgefonds: Die Anfänge
Bereits in den 1960-er Jahren gab es eine Ikone unter den wenigen Hedgefonds-Managern. Alfred Winslow Jones gilt allgemein als „Erfinder“ des gehedgten Investmentstils. Bereits 1949 gründete Jones seinen „abgesicherten Fonds“ und legte den Grundstein für den Begriff „Hedgefonds“. Es handelte sich damals lediglich um eine neue Art der Spekulation. Jones ging nicht mehr einfach long oder short in Aktien und Rohstoffen, wie das zum Beispiel Jesse Livermore machte. Er spekulierte mit Sicherheitsnetz, indem er den Long-Positionen in seinem Portfolio Short-Positionen gegenüberstellte. Er wusste instinktiv und ohne Datenanalyse (die es damals in der Vor-Computer-Ära noch nicht gab), dass er mit dieser Methode sein Gesamtrisiko im Depot verringern konnte.
Es geht ums Risiko bei Hedgefonds!
Es gab noch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Von Beginn an waren Hedgefonds-Manager näher am Marktgeschehen. Im Gegensatz zu den klassischen Bankern mit ihrem strengen und elitären Berufsethos investierten sie zuerst einmal ihr eigenes Geld. Sie gründeten einen Fonds und da sie auf kein Fremdkapital zurückgreifen konnten, außer vielleicht einen Kredit von Familienangehörigen oder Freunden, mussten sie zwangsläufig ihr eigenes Kapital riskieren. Genau dieser Umstand sorgte dafür, dass Jones die abgesicherte Methode der Spekulation „erfand“. Er musste förmlich auf diese Idee kommen, denn da es sich ums ein eigenes Geld handelte, dass er an den Märkten riskierte, stand die Verringerung des Risikos im Vordergrund.
Hedgefonds-Manager sind „Skin in the Game“
Hedgefonds-Manager waren persönlich involviert und standen damit zwangsläufig mitten im turbulenten Börsengeschehen. Weil sie täglich an den Märkten agierten, bekamen sie schneller ein Gefühl für die Abläufe und Anomalien. Sie spürten den Markt und die Bewegungen ihrer Positionen beinahe körperlich. Sehr schön wird diese Geisteshaltung von Michael Steinhardt beschrieben, einem der herausragenden Hedgefonds-Manager der 1970-er und 1980-er Jahre:
„Wenn man wirklich weiß, was vor sich geht, muss man nicht einmal wissen, was vor sich geht, um zu wissen, was vor sich geht.“
Michael Steinhardt, No Bull: My Life in and out of Markets
Ein Blick in das Buch von Sebastian Mallaby
Mallaby hat drei Jahre für sein Buch recherchiert. Er hat die historischen Fakten und die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Protagonisten unterhaltsam und spannend beschrieben. Auf diese Weise ist das Buch trotz seines Umfangs von 600 Seiten absolut kurzweilig, amüsant geschrieben und beleuchtet alle Facetten dieser schillernden Branche innerhalb des Finanzsektors. Herausragend ist, dass es Mallaby gelungen ist, diese Anekdoten mit jeder Menge Fachwissen und Statistiken zu flankieren. Er bleibt nicht ausschließlich bei den Hedgefonds und den großen Spekulationen, sondern setzt das Ganze in einen finanzpolitischen Zusammenhang.
So weiß der Leser immer, warum etwas passiert und welche Folgen bestimmte Ereignisse hatten. Ob es sich dabei um Soros’ berühmte Spekulation gegen das britische Pfund handelt oder darum, wie Stan Druckenmiller Milliarden in der Dotcom-Blase verdiente und nur wenige Wochen vor dem großen Crash im Jahre 2000 seine Positionen verkaufte. Beinahe unglaublich auch die Story, wie Julian Robertson kurz vor Russlands Staatsbankrott im Jahr 1997 beinahe die gesamten Vorräte der russischen Regierung an Palladium, Rhodium und Silber aufgekauft hätte – und das nur, weil er bei einem Angel-Urlaub mit Kollegen aus der Hedgefonds-Branche in Sibirien davon hörte, dass die Russen diese Rohstoffvorräte gerne loswerden würden. Die beinahe esoterische Methode des Trendfolgers Paul Tudor Jones wird detailliert beschrieben und die unfassbaren Gewinne, die Jim Simons mit seinem Medaillon Fonds machte, indem er als Erster statistische Computerprogramme einsetzte, um ertragreiche Trades zu finden. Seine Idee setzte er um, indem er Mathematiker, Code-Brecher und Übersetzungsexperten frisch von den Elite-Unis engagierte. In der Krise 2008 machte sein Fonds 160 Prozent Gewinn.
Meine Learnings aus diesem Buch über Hedgefonds
Mit diesen Beispielen ist auch schon mein größtes Learning verbunden: Indem man anders denkt und handelt als die Masse, kann man sozusagen seine eigene Nische und Methode finden. Wichtig dabei ist, über den Tellerrand zu schauen. Es ist nützlich, Dinge miteinander zu verknüpfen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Zusammenhänge dort erkennen, wo die meisten sie noch nicht einmal vermuten. Und diese Erkenntnisse ohne Zögern praktisch umzusetzen, indem man Positionen aufbaut.
Nächste Erkenntnis: Diese Überzeugungen und die Umsetzung immer mit möglichst geringem Risiko testen, bevor man ganz groß in eine Position einsteigt. Das habe ich auch schon ausführlich in meinem Blogartikel über Jesse Livermore, den größten Spekulanten aller Zeiten beschrieben.
Und falls es anders kommt als gedacht, sind die besten Hedgefonds-Manager in der Lage, ihre Meinung blitzschnell zu ändern. Das klingt widersprüchlich, ist aber wichtig, um dauerhaft Gewinne zu erzielen. Geistige Flexibilität und mentale Stärke gehören zum Investment-Geschäft dazu und sind die wichtigsten Fähigkeiten, über die ein kluger Investor verfügen sollte.
Mallaby lässt übrigens auch die kritischen Stimmen in seinem Buch zu Wort kommen. Denn Fakt ist, dass Hedgefonds aufgrund ihrer Größe natürlich für erhebliche Bewegungen an den Finanzmärkten sorgen können. Das passiert dann, wenn Positionen liquidiert werden müssen. Da es sich heutzutage um Milliardenbeträge handelt, können Schieflagen bei Hedgefonds für heftige Ausschläge sorgen. Und ja, das kann zu Krisen führen. Hier fügt der Autor aber an mit Blick auf die Großbanken, dass noch kein Hedgefonds jemals mit Steuergeldern gerettet werden musste.
Ein Hedgefonds kann pleite gehen und die Anleger können Geld verlieren. Das ist unbestritten und schmerzhaft für die Betroffenen. Ohne Risiko keine Rendite. Aber Desaster wie bei der Citibank, die vom amerikanischen Steuerzahler „gerettet“ wurde oder bei der Commerzbank, an der der deutsche Staat und damit wir Steuerzahler heute noch 50 % Anteil halten, sind bei Hedgefonds sehr unwahrscheinlich.
Foto: finlog