Reflexionen

Mein Schlüsselmoment als Investor

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Mein Schlüsselmoment als Investor hat überhaupt nichts mit Aktien zu tun. Dennoch kann man das, was ich nachfolgend beschreibe, natürlich auf die Finanzmärkte, Aktieninvestments und allgemein den Prozess beim Vermögensaufbau beziehen. 

Nachdem ich gute zehn Jahre alles an den Märkten probiert habe, von Fondssparplänen bis hin zu Daytrading mit Futures, und auch den Crash 2000 bis 2003 live am Markt und mit dem erschreckenden Blick in mein Depot miterlebt habe (siehe mein Artikel, wie ich den Crash 2000 bis 2003 erlebt habe), konnte ich 2007 – als sich die nächste Krise an den Finanzmärkten anbahnte – die Stimmung bei vielen Anlegern anders wahrnehmen als im Jahr 2000 – auch durch die besseren Informationen, die durch das Internet verfügbar waren. 

Mein Bauchgefühl hat mir damals 2007 irgendwie vermittelt, dass da etwas nicht in Ordnung ist an den Märkten. Und Bauchgefühl ist wichtig. weiß ich heute durch die Lektüre von zum Beispiel Kahneman „Schnelles Denken, langsames Denken“. Damals wusste ich das nicht, aber das Gefühl war da und es war kein gutes Gefühl. In diesem Zusammenhang bekam ich die Gelegenheit, in eine Immobilie zu investieren. Ich hatte vorher nie irgendetwas mit Immobilien zu tun und hatte auch sehr wenig Kenntnisse in diesem Bereich. Aber diese Gelegenheit, in eine Immobilie zu investieren, verbunden mit meiner gefühlten Einschätzung, dass der Markt nicht so ganz rund läuft, hat letztendlich dazu geführt, dass ich relativ spontan in dieses Geschäft eingestiegen bin. 

Der Kauf einer Immobilie nur wegen eines komischen Bauchgefühls?

Ich habe die Immobilie gekauft. Das war verbunden mit einem Verkauf des Großteils meiner Aktieninvestments. Im Nachhinein kann man erkennen, dass ich kein besseres Timing hätte erzielen können mit dieser Entscheidung. Ich bin also vor dem Crash 2007 mit dem Großteil meiner Aktien- und Fondsinvestments ausgestiegen und habe diesen signifikanten Cashanteil als Eigenkapital in die Immobilie eingebracht. Das hat logischerweise dazu geführt, dass ich einen relativ geringen Anteil an Fremdkapital aufnehmen musste als Kredit. Für damals heftige 5% Zinsen. 

Was ich dadurch erst „nebenbei“ und im Rückblick verstanden habe, war übrigens auch das Thema Diversifikation über verschiedene Assetklassen hinaus. Durch den direkten Immobilienkauf und die gleichzeitige enorme Reduzierung meines Aktiendepots war ich auf einen Schlag unglaublich gut diversifiziert. Die dann folgende Finanzkrise 2007 bis 2009 konnte mir nicht viel anhaben. Denn das gesamte Vermögen – verteilt über verschiedene Assetklassen – ist es, was man als Investor betrachten sollte, wenn man Plus und Minus zusammenzählt. Wer nur ein Aktiendepot hat und kein Cash und auch keine anderen Assets und wenn dann der Aktienmarkt korrigiert – derjenige ist nicht diversifiziert. Das war also ein zusätzliches Learning aus dieser Zeit für mich. 

Schlüsselmoment als Investor: Wie ich lernte, mich in Geduld zu üben!

Jetzt zum eigentlichen Thema Schlüsselmoment als Investor: Durch den Kauf dieser Immobilie habe ich gelernt, dass wenig oder nichts tun oftmals die bessere Alternative ist als sehr aktiv bei seinen Investments vorzugehen. Siehe hier auch mein Artikel über das Nichtstun an der Börse.

Gelernt habe ich das durch die steuerlichen Vorschriften bezüglich Immobilieninvestments in Deutschland und durch die Aufnahme eines Kredits zum Kauf dieser Immobilie. Immobilieninvestments sind meistens zu einem großen Teil fremdfinanziert. Man also Schulden bei der kreditgebenden Bank, die man über einen festgelegten Zeitraum abtragen muss. Das sind meistens 10 Jahre, manchmal auch länger. 10 Jahre sind eine lange Zeit. Ein weiterer Punkt, der für Geduld bei diesen Investments spricht ist, dass in Deutschland aktuell eine zehnjährige Spekulationsfrist bei privaten Immobilienverkäufen besteht. Heißt im Klartext, dass man mindestens zehn Jahre diese Immobilie besitzen muss und sie erst dann verkaufen sollte, um den möglichen Gewinn steuerfrei vereinnahmen zu können.

Dieser Zwang, zehn Jahre mit einem möglichen Verkauf zu warten, hat mich extrem Geduld gelehrt. Da ich in den ersten zehn Jahren meines Börsendaseins sehr kurzfristig agiert und Warten nie gelernt habe, war das eine völlig neue Erkenntnis für mich. Es ist mir auch anfangs nicht leicht gefallen, diese Geduld aufzubringen. Man muss sich vorstellen, dass bei einem Immobilieninvestment die ersten Jahre sehr wenig passiert, wenn man seine Kontoauszüge von der Bank, bei der man den Kredit in Anspruch genommen hat, zugeschickt bekommt. Erst nach einigen Jahren Ratenzahlungen bemerkt man einen gewissen Fortschritt, was das Abbezahlen des Kredites betrifft. 

Schlüsselmoment als Investor: Geduld ist bei allen Investitionen Grundvoraussetzung für große Gewinne!

Dieses Warten, dieses Üben in Geduld hat mir auch bei meinen Investments am Aktienmarkt geholfen. Ich habe in diesem Zusammenhang endgültig begriffen, dass Zeit der wichtigste Faktor beim Investieren ist. Der Faktor Zeit kann erst zur vollen Wirkung kommen, wenn man lernt abzuwarten. Also nichts tut. Möglicherweise jahrelang. 

Bei Immobilien kann man als privater Investor nicht ohne weiteres rein und raus springen aus dem Investment. Man muss dabeibleiben und durchhalten. Dieser Zwang übt einen in Geduld. Zumindest war das bei mir so. Genau diese Erfahrung wende ich jetzt auch bei meinen Investments am Aktienmarkt an. 

Tipp: Die ersten zwei Jahre nach einem Einstieg in eine Aktie mache ich gar nichts!

Bestätigt wurde das natürlich auch durch Bücher, die ich gelesen habe. Ich möchte hier stellvertretend das Buch von Guy Spier nennen, in dem er seine Regeln für Investments beschreibt. Eine dieser Regeln lautet: Nachdem ich eine Aktie gekauft habe, warte ich mindestens zwei Jahre, bevor ich überhaupt irgendetwas mit diesem Investment mache. Das heißt, in den ersten zwei Jahren nach dem Kauf einer Aktie, in diesen zwei Jahren mache ich gar nichts. Die Analyse zu diesem Unternehmen und zu dieser Aktie habe ich gemacht vor meinem Einstieg, also brauche ich in den zwei Jahren danach mich um nichts kümmern. 

Meine Erfahrung: Je weniger Umschlag ich in meinem Aktiendepot habe, desto besser ist die Performance!

Warren Buffett hat das in einem seiner geistreichen Zitate so beschrieben: „Aktivität ist der Feind des Investors.“ Alle großen Investoren sind sich einig darin, dass wenig bis gar nichts tun bei gut ausgewählten Investments meistens die beste Methode ist, um langfristig Profit zu machen. Auch ich habe das an meinem Portfolio festgestellt. Je weniger Umschlag ich im Depot hatte, also je weniger ich gekauft und verkauft habe, umso besser wurde meine Performance im Bezug auf frühere Jahre, wo ich anders agiert habe. Mal ganz abgesehen von den vielen Gebühren an den Broker, die ich mir durch diese Handlungsweise gespart habe. 

Schlüsselmoment als Investor: Das Engagement an den Finanzmärkten ist ein nicht endender Prozess!

Noch einmal konkret auf die Frage Schlüsselmoment für meine Investoren-Karriere: Das mit der Immobilie könnte ich jetzt als Schlüsselmoment bezeichnen, aber eigentlich ist das ganze Vorgehen ein Prozess. Ein gedanklicher Prozess. Dieser Prozess einer Entwicklung endet nie. Der Markt wird „gemacht“ von Millionen von Marktteilnehmern. Diese verfolgen unterschiedliche Ziele mit ihren Investments. Diese unterschiedlichen Zielen aller Marktteilnehmer sorgen dafür, dass der Markt immer in Bewegung bleibt. Er bleibt deswegen in Bewegung, weil er die Gefühle der Marktteilnehmer widerspiegelt, zum Beispiel Angst und Gier oder Hypes und Depressionen.

Dieser Schlüsselmoment mit der Immobilie zeigt aber auch einen anderen, mindestens genauso wichtigen Aspekt im Prozess des Investierens: Den Aussteig aus einem Deal, also den Verkauf. 

Erst beim Verkauf entscheidet sich, ob ein Investment im Gewinn oder im Verlust endet. 

Es geht nicht um Market Timing. Es geht nicht um den besten Kurs. Es geht um den Prozess. Es geht um Risiko. Und darum, dass der Markt kein statistisches mathematisches Ungetüm und damit berechenbar ist, sondern von allen Marktteilnehmern gemacht ist. Diese verfolgen unterschiedliche Interessen und Ziele. Das ist der Prozess, den ich meine. Jeder Marktteilnehmer hat seine ganz persönliche Sichtweise auf den Markt. Er setzt das, was am Markt passiert, in Relation zu seinen Investments. Hier ist jeder Marktteilnehmer logischerweise egoistisch und auf seinen Vorteil aus. Allein deshalb kann es keine effizienten Märkte geben. Es gibt permanent Ungleichgewicht bei einzelnen Anlegern in Relation zum Gesamtmarkt. 

Ungleichgewicht in der Beurteilung von Investments am Beispiel meiner China/ Asien Investments

Ein Beispiel: Ich habe meine ETFs mit Schwerpunkt Asien im Frühling 2021 verkauft. Für mich war das ok. Für andere war das wahrscheinlich ziemlich dumm. Muss es sein. Denn: Für jeden Verkäufer gibt es einen Käufer. Beide agieren aus völlig konträren Überzeugungen heraus. Wären Märkte effizient, wie uns das Experten aus dem Bereich Wirtschaftswissenschaften seit 100 Jahren weis machen wollen, dann dürfte so eine Transaktion wie meine gar nicht vorkommen.

Für diejenigen, die mein Asien-Engagement und das Beenden desselben interessiert:

Ich war seit 2012 in Asien/ mehrheitlich China investiert. Angefangen habe ich mit einem China ETF. Damals gab es genau einen ETF für China-Aktien. Ich war also schon recht lange investiert in der Gegend.

Zum Zeitpunkt meines Verkaufs im Frühling 2021 hatte China/ Asien in meinem ETF-Portfolio den größten Anteil bei Ländern/ geographischen Gebieten. Durch aufgelaufende Buchgewinne war der Anteil Asien über den von mir festgelegten prozentualen Anteil im Portfolio gestiegen.

Meine Analyse war damals folgende: Die meisten Indizes aus diesem Raum (KOSPI, NIKKEI, Hangseng, CSI …) notieren knapp über dem 200 Tage Gleitenden Durchschnitt.

Seit Februar sah ich fallende Notierungen. Im gleichen Zeitraum sind die Finanzmärkte in USA und Europa gestiegen. Das zeigte mir eine Divergenz an. 

Mein Szenario im Frühling war folgendes: 

Die USA sind immer noch die Weltleitbörse. Der SPY steht 12% über seinem 200 Tage GD. Schwächelt die USA – und es gab damals durchaus berechtigte Anzeichen dafür (Geldmengenwachstum, Inflation, daraus folgend mögliche Zinserhöhungen) – und führt das zu einer weltweiten Korrektur an den Aktienmärkten von bescheidenen 10%, dann brechen die asiatischen Märkte durch ihren 200er GD. Kleiner Ausflug in die Charttechnik: Kurse unter 200 GD kennzeichnen einen klassischen Bärenmarkt. Das ist ein sehr simples, aber wirksames Konzept.

Außerdem ist es für mich psychologisch besser, in guten Zeiten zu verkaufen. Also dann, wenn Kurse noch leicht steigen oder stagnieren, die Stimmung aber insgesamt gut ist. Verkaufe ich in stark rückläufigen Märkten, könnte durchaus Hoffnung bei mir ins Spiel kommen und ich ziehe die Reißleine gar nicht oder zu spät. Diesem emotionalen Risiko wollte ich mich nicht aussetzen.

In dem Zusammenhang war ich mir auch meines übergeordneten Zieles bewusst: Ich wollte meinen Cashanteil im Depot erhöhen. Wie geht das? Indem ich Anteile reduziere. Wo reduziere ich Anteile? Dort, wo es meiner Meinung nach nicht weiter nach oben geht und eher Probleme als Chancen existieren.

Wie gesagt, dieses Beispiel soll zeigen, wie MEINE Sichtweise auf meine Investments in der Region China/ Asien aussah im Frühling 2021. Andere Marktteilnehmer hatten zu diesem Zeitpunkt garantiert eine völlig gegensätzliche Sicht auf die Entwicklung dort. Das ist es, was Investieren so unique macht und so individuell.

Jeder Marktteilnehmer bringt seine ganz persönlichen Überlegungen ein und diese führen zu einer Entscheidung, die für oder gegen ein Investment spricht. Jeder Investor an den Finanzmärkten handelt und diese Handlungen führen zu Kursen. Alle handeln dabei in einer Umgebung der Unsicherheit. Das geht gar nicht anders. Deshalb lernt auch jeder Marktteilnehmer anders aus seinen Handlungen und den Ergebnissen daraus. Die Handlungen sind unterschiedlich, die Ergebnisse sind unterschiedlich, die Schlussfolgerungen sind unterschiedlich. All das sind Schlüsselmomente für den Investor und jeder hat seine ganz persönlichen Schlüsselmomente, die für ihn und sein künftiges Handeln wichtig sind.

Wichtig ist, diese Schlüsselmomente als Key Moments zu erkennen und aus den Ergebnissen zu lernen. Wie Robert Frost schrieb: „… zwei Wege boten sich mir dar…“ Der Schlüsselmoment ist gut mit einer Kreuzung vergleichbar. Welchen Weg schlage ich ein? Die Aufgabe als Investor ist es, diese Schlüsselmomente in seinen Entscheidungsprozess für künftige Investitionen einzubauen.

Diese Schlüsselmomente als Investor sind es, die eine Investoren-Karriere nachhaltig beeinflussen. In denen man als Investor sehr viel über sich und die Finanzmärkte lernen kann. Wenn man aufmerksam ist und sich bewusst macht, dass man nur ein kleines Rädchen im Getriebe ist und eigentlich nichts weiß. 

Photo by Debby Hudson on Unsplash

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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Der Beitrag ist sehr gut. Ich sehe das schon länger wie du. Das Depot ist groß genug und ich habe es auch als Diversifikation zu meinen Immobilien. Schließlich „bespare“ ich diese schon durch den Kapitaldienst und wollte nicht alles in die Immobilie bei uns setzen! Manche halten mich da für etwas „verrückt“ , weil ich nicht mehr sondertilge usw. Aber ich zahle die Bude ohnehin regelmäßig durch den Kapitaldienst ab und es wird monatlich mehr Tilgung. Anfangs habe ich sondergetilgt.

    Mittlerweile bin ich soweit, dass ich noch eine weitere Immobilie suche um u.a. zu diversifizieren, aber es wird schwer eine Renditeobjekt zu finden. Das Depot geht Richtung sechsstellig. Das werde ich auch weiter besparen und ausbauen. Aber ich hätte aus den von dir genannten Gründen halt gerne noch eine weitere. Mal schauen, was sich ergibt.

    Gruß

    Antworten
    • Ich danke dir. Über die Sondertilgung ließe sich streiten… Ich habe das seinerzeit voll genutzt und war vor Fälligkeit des Kredits schon fertig mit dem Antrag der Schulden. Kommt immer darauf an, was mehr rentiert – Schuldendienst oder neue Investments. Neue Objekte zu finden wird schwierig. Alternativ bieten sich Reits an, aber das weißt du sicherlich. Besten Dank und Grüße,

      Antworten
  • Wie immer ein wunderbarer Artikel der zum Nachdenken anregt. Das Reflektieren der eigenen Entscheidungen ist vermutlich eine der besten und wichtigsten Eigenschaften eines langfristigen Investors. Toll geschrieben!

    Liebe Grüße,
    Lisa

    Antworten
    • Danke Lisa, das freut mich sehr, wenns gefällt. Reflektieren ist heutzutage, wo nur Noise um einen herum herrscht, keine leichte Sache. Aber wichtig. Liebe Grüße nach Norwegen. Genieß es.

      Antworten

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