Performance ist ein fester Begriff in vielen Lebensbereichen geworden. Im Börsengeschäft ist diese Kennzahl das Maß aller Dinge. Wie sinnvoll ist es, ausschließlich auf die Performance im Portfolio zu achten? Unter welchen Bedingungen ist es notwendig und unter welchen Bedingungen nicht?
Im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung wird gern das Modell empfohlen, dass man sich extrem hohe Ziele setzen soll. Es gibt auch die Meinung, dass diese Ziele unter normalen Gesichtspunkten unerreichbar erscheinen sollten. Das klingt widersprüchlich und auch demotivierend. Aber wie wäre es, wenn wir dieses extrem hohe Ziel als eine Art Utopie betrachten?
Wir wissen von vornherein, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dieses Ziel zu erreichen. Dennoch kann es nützlich sein, so vorzugehen. Wir bestimmen ein Ziel im Sinne der Utopie, die es darstellt. Es ist eigentlich unmöglich, es zu erreichen. Aber dieses Ziel fungiert als eine Art Bezugsrahmen beziehungsweise als fester Bezugspunkt. Ohne diesen Bezugspunkt können wir unsere Ergebnisse nicht messen. Erst ein Bezugspunkt gibt eine Vergleichsmöglichkeit zwischen dem utopischen Ziel und dem, was wirklich erreicht wurde.
Performance ist abhängig vom Bezugspunkt!
Nehmen wir einmal an, ein Anleger handelt sein Portfolio aktiv. Er hat also nicht drei ETF-Sparpläne, in die er über Jahre Geld einzahlt und dieses Geld passiv investiert. Er handelt Einzelaktien und setzt seine Investmentideen aktiv um. Wir betrachten einmal zwei Möglichkeiten, wie die Performance gemessen wird. Ich will damit auf die Komplexität hinweisen, die über die reine Performance hinausgeht.
Nehmen wir an, der Anleger hat ein festgelegtes Ziel, zum Beispiel 7% Performance pro Jahr. Er erreicht das Ziel.
Oder diese Person nimmt sich vor, 25% Performance pro Jahr zu erzielen und erreicht dieses Ziel nicht. Das Portfolio konnte nur um 13% zulegen.
Im ersten Beispiel haben es einige wahrscheinlich schon gemerkt – da kann ich gleich auf mittlere und lange Sicht in einen ETF auf einen klassischen Index investieren, der in der Vergangenheit eine durchschnittliche Performance von 7% pro Jahr erreicht hat und spare mir den erheblichen Aufwand, den eine aktive Handelsstrategie erfordert. Aber abgesehen davon bleibt festzuhalten – der Anleger hat sein Ziel von 7% Rendite erreicht. Im zweiten Beispiel scheitere ich grandios an meiner Zielvorgabe von 25%. Die Frage ist, was ist mit „Scheitern“ gemeint?
Wir wissen, dass im zweiten Beispiel 13% Rendite erzielt wurden. Das wäre eine deutliche Verfehlung des ambitionierten Ziels von 25%, aber 13% sind wiederum eine ziemlich gute Performance in einem Marktumfeld, in dem durchschnittlich 7% erzielt werden. Es wird noch verwirrender: Diese 13% Performance sind möglicherweise sehr frustrierend für den Anleger, wenn der breite Markt im selben Jahr 18% Performance erreicht hat und mit einer passiven Anlage jeder diese 18% Performance ebenfalls locker erreicht hätte.
Deshalb ist meiner Meinung nach der Vergleich mit einer Benchmark oder mit anderen Marktteilnehmern so zersetzend und frustrierend. Nicht nur das – es gibt auch keinen Lerneffekt. Stattdessen ist die Gefahr groß, dass der Anleger schlechte Laune bekommt, wenn er sich mit anderen vergleicht. Das betrifft übrigens nicht nur den Aktienmarkt, sondern jeden Bereich im Leben. Der Vergleich ist der Blick in den Abgrund.
Performance um jeden Preis?
Tauchen wir tiefer in das Thema Performance ein, stellen wir fest, dass noch ein wichtiges Element fehlt. Wir müssen uns nämlich die Frage stellen, wie diese Performance zu Stande gekommen ist. Performance allein zeigt nicht den kompletten Vorgang bei einer Spekulation. Performance allein kratzt höchstens an der Oberfläche. Performance als Kennzahl zur Beurteilung, ob eine Leistung gut oder schlecht war, sagt nichts aus – abgesehen vom Ergebnis, in unserem Beispiel dem Depotwert. Der Depotwert ist natürlich in letzter Konsequenz entscheidend bei der Frage, ob man Geld gewonnen oder verloren hat, aber als alleiniges Kriterium beim Urteil über die eigenen Fähigkeiten ist er nicht hilfreich.
Performance im Zusammenhang mit Risiko
Entscheidend ist vielmehr die Frage: Mit welchem Risiko wurde die Performance erzielt? Wenn wir über Performance sprechen, dann müssen wir über eine risikoadjustierte Performance beziehungsweise risikoadjustierte Rendite sprechen.
Was bedeutet risikoadjustierte Rendite?
Eine risikoadjustierte Performance wird häufig verwendet, um die Rendite von Anlagen oder Portfolios zu bewerten und zu vergleichen, unter Berücksichtigung des damit verbundenen Risikos. Leider reicht die reine Rendite einer Anlage nicht aus, um ihre tatsächliche Attraktivität oder ihren Erfolg zu beurteilen. Eine Anlage mit hoher Rendite kann auch ein hohes Risiko mit sich bringen, was für Anleger möglicherweise unattraktiv oder unpassend ist. Wer von Anfang an bei seinen Investments nur auf die Rendite schaut, schafft sich eine Gewohnheit, die nur schwer wieder loszuwerden ist. Immer erst nach unten schauen (da ist das Risiko) und dann erst nach oben (zur theoretischen Rendite beziehungsweise dem Ziel).
Wie kann die risikoadjustierte Rendite bestimmt werden?
Um das Verhältnis zwischen Rendite und Risiko zu berücksichtigen, werden verschiedene risikoadjustierte Performance-Maße verwendet. Dazu gehören unter anderem:
- Sharpe Ratio: Das Sharpe-Ratio ist eine häufig verwendete Metrik, die die Überschussrendite (Rendite über dem risikofreien Zins) einer Anlage pro Einheit des Risikos (Volatilität) misst. Ein höheres Sharpe-Ratio zeigt an, dass die Rendite pro Einheit Risiko attraktiver ist.
- Sortino Ratio: Das Sortino-Ratio ähnelt dem Sharpe-Ratio, berücksichtigt jedoch nur das negative Risiko (nach unten gerichtete Volatilität), da Investoren normalerweise mehr besorgt sind über Verluste als über Gewinne.
- Treynor Ratio: Das Treynor-Ratio misst die Überschussrendite einer Anlage pro Einheit des systematischen Risikos (Beta). Es konzentriert sich auf das Risiko, das nicht durch Diversifikation reduziert werden kann.
- Information Ratio: Das Information Ratio vergleicht die Überschussrendite einer Anlage mit ihrem Tracking Error und zeigt, ob ein aktiver Fondsmanager in der Lage war, Mehrwert im Vergleich zu einem Benchmark zu schaffen.
Diese risikoadjustierten Performance-Maße helfen, die Effizienz einer Anlage oder eines Portfolios besser zu beurteilen und zu vergleichen, da sowohl die Rendite als auch das Risiko in Betracht gezogen werden.
Ich will damit nicht sagen, dass jeder Privatanleger diese Kennzahlen kennen muss und sein Portfolio mit diesen Ratios regelmäßig überprüfen soll. Was ich sagen will ist, dass Performance als Indikator für eine gute oder schlechte Leistung absolut sinnlos ist, wenn sie nicht mit dem Risiko, der Volatilität und weiteren Faktoren kombiniert betrachtet wird.
Zurück zu unserem Beispiel: Haben wir diese 13% Performance erreicht, weil wir sehr hohe Risiken eingegangen sind mit unseren Spekulationen? Hatten wir einfach nur Glück? Ist diese Performance das Ergebnis einer umsichtigen Handlungsweise, die sich auch in einer geringen Volatilität des Portfolios zeigt? Die Fragen, wie wir zu dem Ergebnis gekommen sind, sind entscheidend. Deshalb ist der Vergleich mit anderen Marktteilnehmern völliger Blödsinn. Denn wir wissen nicht, wie diese Personen vorgehen und welche Handelsstrategie sie umsetzen.
- Welches Risiko gehen Sie bei ihren einzelnen Trades ein?
- Wie hoch ist der zwischenzeitliche Drawdown im Portfolio?
13% Rendite können beachtlich sein, wenn der breite Markt nur 7% in diesem Jahr gemacht hat. Gab es aber zwischendurch einen Drawdown von 25% im Portfolio, dann war der Anleger mutmaßlich erheblichen mentalen Belastungen ausgesetzt. Ein Anleger, der zwischenzeitlich 10% Drawdown in seinem Portfolio hatte und am Jahresende auf 13% Performance verweisen kann, hat meiner Meinung nach den besseren Job gemacht. Obwohl beide die gleiche Performance am Jahresende haben.
Der Prozess ist entscheidend für langfristigen Erfolg!
Man sollte sich Ziele setzen an der Börse und generell, aber es kommt vor allem auf den Prozess an, wenn man langfristig erfolgreich sein will. Mit Fokus auf die risikoadjustierte Performance im Portfolio wird mehr Wert auf den Prozess des Handelns gelegt und nicht auf die ausschließliche Betrachtung des Ergebnisses. Ich kann ein gutes Ergebnis erzielt haben und trotzdem undiszipliniert gewesen sein. So eine Vorgehensweise geht nicht lange gut. Aber sie lässt sich wunderbar „verstecken“ hinter dem Blick auf die reine Performance im Portfolio. Warum es klug ist, Prozess und Ergebnis zu trennen, kannst du in diesem Artikel „Entscheidungen: Bin ich wirklich so gut?“ lesen.
Wenn Ergebnisse ohne eine klare Strategie und ohne einen festgelegten Prozess zu Stande kommen, dann sind sie zufällig. Zufälligkeit kann per definitionem nicht zu einer konsistenten Performance führen. Wir wollen aber an der Börse konsistente Gewinne über einen langen Zeitraum erzielen. Das erreichen wir nur mit einer sorgfältig und auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmten Strategie.
Eine individuelles Ziel festzulegen, ist sinnvoll. Aber es kann nur mit den individuellen Kennzahlen verglichen werden und niemals mit denen von anderen. Eine Strategie ist individuell, wenn sie nicht von vornherein passiv gewählt ist. Wenn die Strategie individuell ist, macht ein Performance-Vergleich keinen Sinn.
Wenn Performance über einen längeren Zeitraum – fünf Jahre, besser zehn Jahre und länger – konsistent eine positive Tendenz zeigt, dann kann sie aussagekräftig sein auch ohne weitere Kennzahlen. Der Grund dafür ist klar – wenn über einen so langen Zeitraum konsistente Zuwächse im Portfolio zu verzeichnen sind, muss ganz offensichtlich ein Handelsplan und ein methodisches Vorgehen vorhanden sein. Je länger der Betrachtungszeitraum ist, umso geringer wird der Einfluss von Zufall und Glück bei der Performance.
Vollkommen sinnlos erscheint mir das permanente Zeigen von kurzfristigen Performance-Zahlen auf Social Media. Anleger, die nicht sehr vertraut sind mit der Materie, werden dadurch unnötig unter Druck gesetzt. Die anderen finden es amüsant und vollkommen nutzlos.
Abschließend können wir sagen, dass die Beurteilung der reinen Performance im Portfolio nur wenig darüber aussagt, wie gut oder schlecht das Depot geführt wird. Performance ist nur dann eine wichtige Kennzahl, wenn weitere Faktoren einbezogen werden, um sie zu berechnen. Da das von den wenigsten Privatanlegern gemacht wird, ist die Tendenz, Performance als wichtigste Aussage zu nehmen, sinnlos.
Foto von Afif Ramdhasuma auf Unsplash
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Spannender Artikel mit einigen Begriffen, die mir unbekannt waren. Ziele setzen finde ich grundsätzlich immer gut. Ein weiteres ist eben hinzugekommen: mir Gedanken machen über meine Ziele und Performance in Relation zu der Zeit, die ich mir nehmen möchte und dem Risiko, welches ich eingehen möchte. Danke für den Gedankenanstoß.
Ich danke dir, lieber Martin, und freue mich, wenn meine Gedanken zum Weiter-Denken führen. Viel Erfolg und beste Grüße, Tino
Wenn es jemand drauf hat, mich zum Nach- und Weiterdenken zu bewegen, dann Du Tino!!
Mal wieder Danke dafür!!
Liebe Grüße
Robert
Danke, Robert, dafür bin ich da 😉 … und ich freue mich, wenn ich dich ab und zu „anstupsen“ kann
Sehr cooler Beitrag Tino 🙂
Dein Blog gehört mittlerweile zu meinen absoluten Favorit im deutschsprachigen Raum💪
Generell sollte man sich nicht nur ein Rendit Ziel, sondern auch immer ein „Risiko Ziel“ setzen – genau wie du es beschreibst👍
Das ganze Thema lässt sich ja nicht nur auf einzelne Trade oder Investments runterbrechen, sondern auf das gesamte Portfolio…Stichwort: strategische Asset Allocation…
Sehr cooler Beitrag Tino 🙂
Dein Blog gehört mittlerweile zu meinen absoluten Favorit im deutschsprachigen Raum💪
Generell sollte man sich nicht nur ein Rendit Ziel, sondern auch immer ein „Risiko Ziel“ setzen – genau wie du es beschreibst👍
Das ganze Thema lässt sich ja nicht nur auf einzelne Trade oder Investments runterbrechen, sondern auf das gesamte Portfolio…Stichwort: strategische Asset Allocation…
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Hallo Tino,
Du stellst gleich zu Beginn Deines Artikels klar, dass die beschriebene Herangehensweise nicht auf klassische ETF-Sparer abzielt. Ich habe in dem Artikel vor Augen geführt bekommen, dass Einzelaktien für mich völlig ungeeignet wären. Für mich machen Ziele Sinn, deren Erreichung ich selbst zu einem großen Teil steuern kann (Beispiele: Summe x pro Monat sparen, Summe y pro Jahr zu erwartende Ausschüttungen). Bei einem Renditeziel oberhalb dessen, was durchschnittlich zu erwarten ist, hätte ich das Gefühl, im Casino Platz genommen zu haben. Man könnte selbst keinen Beitrag zur Zielerreichung liefern. Zum Teil verhageln einem ja Dinge das Investment, die man auch bei intensivem Studium sämtlicher Zahlen und Geschäftsberichte nicht erahnen kann (Ohrenstöpselproblematik eines namhaften Klebstoffherstellers). In meinen Augen wäre es sinnlos, sich diesbezüglich Ziele zu setzen. Ich könnte mir gleich vornehmen, sechsmal die Sechs zu würfeln.
Auf der anderen Seite: Ein Flug zum Mond wäre vermutlich auch heute noch unrealistisch, wenn alle dächten wie ich.
VG
Herbert