Risiko und Ungewissheit werden oft synonym genannt. Dabei handelt es sich um zwei völlig verschiedene Dinge. Vor Risiken kann man sich schützen. Bei Ungewissheit ist das nicht möglich.
Risiko ist das, was wir erkennen. Dadurch können wir es annähernd und teilweise sogar konkret berechnen und damit eingrenzen. Weil wir es berechnen können, ist es uns möglich, bekannte Risiken in unseren Entscheidungsprozess einzubeziehen. Denn wir können entscheiden, wieviel Risiko wir eingehen wollen oder wie wenig oder ob wir komplett auf eine Handlung verzichten wegen des Risikos.
Nehmen wir als Beispiel den Einstieg in eine irgend eine Aktie bei Kurs 50 USD. Ein Stoppkurs, der 10% unterhalb des Einstiegskurses gesetzt wird, also bei 45 USD, begrenzt das Risiko auf einen maximalen Geldbetrag – hier auf 5 USD pro Aktie. Anmerkung: Das funktioniert natürlich nur, wenn man weiß, wie man die Positionsgröße berechnet in Bezug auf den maximalen Geldbetrag, den man zu riskieren bereit ist bei einem Investment.
Das ist also Risiko und wie man es begrenzen kann.
Mehr zum Einsatz von Stopporders und wie man seine Aktienpositionen im Depot schützen kann, erfährst du in meinem Artikel über Stoppkurse.
Risiko und Ungewissheit: Der große Unterschied!
Etwas anderes ist die Ungewissheit. Ungewissheit wird oftmals synonym für den Begriff Risiko verwendet, hat aber damit gar nichts zu tun. Ungewissheit meint die Ungewissheit über zukünftige Ereignisse oder Ergebnisse. Zum Beispiel bei unseren Investments. Das ist etwas komplett anderes als Risiko. Ungewissheit hat etwas zu tun mit Wahrscheinlichkeiten, die wir bestimmten möglichen Szenarien in der Zukunft zuordnen. Wahrscheinlichkeiten haben allerdings definitiv nichts mit exakter Zielbestimmung zu tun und schon gar nichts mit Gewinnberechnungen oder Kurszielen, die mit absoluter Sicherheit erreicht werden.
Fakt ist – es gibt für den Umgang mit Ungewissheit keine Regeln. Kann es nicht geben. Das, was wir vorhin bei dem Begriff Risiko mit der maximalen Verlustgröße bei einem Investment berechnet haben – das geht bei der Ungewissheit nicht.
Es geht vielmehr darum, das ich heute eine konkrete Entscheidung treffen möchte. Und weil ich sie treffen möchte oder muss, bin ich in der verzwickten Situation, einen möglichen Verlauf in der Zukunft antizipieren und vorausahnen zu müssen. Diesen möglichen Verlauf kann ich nur ungefähr erahnen aufgrund meiner Kenntnisse und Fähigkeiten, der Lebenserfahrung und meiner persönlichen Einschätzung, aber das war’s auch schon.
Ich kann überhaupt nichts festlegen oder planen und irgend eine Sicherheit aus meiner Planung ableiten. Wenn ich das denke, dann erliege ich der Illusion von Kontrolle. Mehr dazu in diesem Artikel.
Meine Entscheidung für irgend etwas, was heute passiert – diese Entscheidung kann ich treffen, aber ich kann das Ergebnis und die Folgen daraus nicht beeinflussen. Kompliziert wird das Ganze noch insofern, dass ich etwas antizipiere, das ich nicht kennen kann, weil es die Zukunft betrifft. Das ist das eine. Bei dem Versuch aber, mir bestimmte mögliche Verläufe in der Zukunft vorzustellen und darauf meine Entscheidung auszurichten, bei diesem Versuch kann ich mich nur um die Szenarien kümmern, die mir einfallen oder die mir am wahrscheinlichsten vorkommen. Das schließt aber ironischerweise komplett die vielen anderen Szenarien aus, an die ich überhaupt gar nicht denke und die trotzdem eintreten können. In meiner Vorstellungskraft über die Zukunft kann ich mir – wenn ich gut bin und fantasievoll und demütig und bescheiden und mutig und vorsichtig und alles zugleich – ein paar Szenarien vorstellen und kann darauf meine heute zu treffende Entscheidung abstimmen.
Aber den kompletten Bausatz an Möglichkeiten, was die Zukunft bringen kann, den habe ich nicht und den kann ich nicht berechnen und einbeziehen in meine Entscheidungsfindung. Dazu kommt erschwerend hinzu, dass die zu treffenden Entscheidungen meistens emotional getroffen werden. Wie Angst und Gier an der Börse Handlungen beeinflussen, kannst du in diesem Artikel lesen.
Nicht das Risiko ist das Problem. Das Problem ist die Ungewissheit über die Zukunft.
Konkret wird dieses Thema, wenn es an den Aufbau eines gut diversifizierten Portfolios geht. Wie geht man am besten vor? Was raten Finanzexperten und was sagt uns der gesunde Menschenverstand? In diesem Artikel findest du einen interessanten Denkanstoß zu Diversifikation und Portfoliomanagement.
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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Eine schöne Erklärung. Danke dafür.
Am Ende hilft nur, dass man mit Ungewissheit leben muss. Und Ungewissheit muss nicht per se schlecht sein. Es kann auch was positives passieren.
Gruß
Es kann auch was Positives passieren…. toller Kommentar, denn genau so ist es. Danke dir und beste Grüße
Wenn ich den Kapitalmarkt zwischen 2020-2022 mit einem Blogartikel beschreiben sollte, wäre es dieser hier!
Toll geschrieben – wie immer!
Grüße aus Dortmund
Danke für deinen schicken Kommentar, Jay, und beste Grüße zurück.
Sehr schöner Artikel…..“wenn ich gut bin und fantasievoll und demütig und bescheiden und mutig und vorsichtig und alles zugleich“…..sehr zutreffend. Das sollte man eigentlich immer an der Börse sein. Getreu dem Motto „Hochmut kommt vor dem Fall!“. Aber daran scheitern schon die meisten Anleger. Die meisten Menschen machen sich gar keine Gedanken.
Du gehörst offensichtlich zu denjenigen, die sich Gedanken machen… eine sehr gute Basis. Danke, Robert, für deinen Kommentar und beste Grüße, Tino