Wie wirken sich psychologische Faktoren wie das Gruppenverhalten beim Investieren oder Nachahmungseffekte auf Investment-Entscheidungen aus? In diesem Artikel gehe ich diesem Phänomen nach und welche Folgen es haben kann.
Gruppenverhalten beim Investieren und Nachahmungseffekte bringen meistens negative Ergebnisse für den Anleger!
Das Gruppenverhalten von Menschen und der Nachahmungseffekt ist beim Thema Finanzen immer wieder zu beobachten. Viele Menschen folgen dem Rat ihrer Freunde und investieren dort, wo diese investiert haben. Das kann gut sein, wenn man jemanden kopiert, der etwas von Vermögensaufbau und Finanzen generell versteht. Das kann aber auch mächtig nach hinten losgehen, wenn derjenige, dessen Investment-Entscheidungen man folgt, keine Ahnung von der Materie hat. Oder wenn die Investment-Entscheidungen dieser Person auch nur die Kopie von jemand anderem sind.
Ein schönes Beispiel dafür hat Richard Thaler in seinem Buch „Nudge“ (gemeinsam mit Cass R. Sunstein, erschienen im Ullstein-Taschenbuchverlag) beschrieben. Dabei geht es um Investmentclubs, die nachgewiesenermaßen oftmals eine besonders schlechte Performance zeigen, wenn die Mitglieder sich sehr konform verhalten und einer Entscheidung folgen, die von dem vermeintlich cleversten der Mitglieder in diesem Investmentclub getroffen wurde.
Soziale Einflüsse im Finanzbereich führen zu sich selbsterfüllenden Prophezeiungen!
Generell trifft man dieses Herdentrieb-Verhalten sehr häufig bei Anlegern im Finanzbereich an. Es handelt sich hier laut Thaler und Sunstein um soziale Einflüsse, die zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen führen. Ist der erste Anstoß gegeben, dann folgt die Masse. Wie das funktioniert, hat Edward Bernays in seinem empfehlenswerten Buch „Propaganda“ beschrieben:
Ein Mann sitzt zum Beispiel in seinem Büro und überlegt, welche Aktien er kaufen soll. Natürlich bildet er sich ein, dass er die Entscheidung allein auf Basis seiner eigenen Urteilskraft fällt. In Wirklichkeit wird sie jedoch aus einem Gemisch von Eindrücken resultieren, die äußere Reize bei ihm hinterlassen haben, und die nun unbewusst seine Gedanken bestimmen. So kauft er die Aktie einer bestimmten Eisenbahngesellschaft, weil am Tag zuvor in der Zeitung über sie berichtet wurde und sie ihm deshalb noch besonders gegenwärtig ist, oder weil er sich an ein gutes Menü erinnert, das er in einem ihrer Schnellzüge zu sich genommen hat, oder weil das Unternehmen seine Mitarbeiter gut behandelt und als ehrlich gilt; oder weil er gehört hat, dass der Bankier J.P. Morgan auch zu den Aktionären zählt.“
Edward Bernays, Propaganda, geschrieben und veröffentlicht 1928
Sehr viel zur Erforschung des Herdentriebs bei Anlegern an den Finanzmärkten hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller beigetragen. Er hat mit dem Shiller-KGV einen neuen Ansatz vorgestellt. In diesem Artikel kannst du mehr zum Shiller-KGV erfahren.
Spekulationsblasen sind die Folge von sozialer Ansteckungskraft!
Auf diese Art und Weise entstehen Spekulationsblasen. Dahinter steckt die soziale Ansteckungskraft des Boom-Denkens.
„Diese entsteht durch die gemeinsame Beobachtung immer weiter steigende Preise an den Finanzmärkten. Die Mehrheit der Menschen beginnt zu glauben, dass die optimistische Sicht der Dinge die einzig wahre ist.“
Thaler und Sunstein, Nudge
Ganz einfach deshalb, weil ihr ja die meisten Menschen folgen. Also kann es gar nicht falsch sein! Kritische Stimmen werden in diesem Kontext kaum gehört und wenn doch, dann konsequent ausgeblendet. Hinzu kommt der Fakt, dass die Medien diesen Hype noch anheizen, in dem sie Headlines und Artikel veröffentlichen, die genau der Meinung der ohnehin schon positiv gestimmten Anleger entsprechen. Das setzt ein Rad in Bewegung, welches niemand mehr anhalten kann. Die so entstehenden Rückkopplungseffekte lassen die Preise für Aktien oder Immobilien immer weiter steigen und der allgemeine Eindruck verstärkt sich immer mehr bei den Anlegern, dass dieser Aufwärtstrend niemals enden wird.
Trotter und Le Bon kommen zu dem Ergebnis, dass eine Gruppe nicht im eigentlichen Sinne des Wortes „denkt“. Anstelle von Gedanken stehen bei der Gruppe Impulse, Gewohnheiten und Gefühle. Um zu einer Entscheidung zu gelangen, neigt sie gewöhnlich als erstes dazu, dem Vorbild eines Führers zu folgen, dem sie vertraut. Das ist eine der am besten abgesicherten Erkenntnisse der Massenpsychologie. (…) Steht kein Vorbild eines Führers zur Verfügung, muss die Herde für sich selbst denken. Dabei greift sie zurück auf Klischees, Schlagworte oder Bilder, die für ein ganzes Bündel von Ideen und Erfahrungen stehen. (…) Wenn der Propagandist sich eines alten Klischees bedient oder ein neues erzeugt, kann er bei der Masse mitunter ganze Gefühls-Cluster auslösen.“
Edward Bernays, Propaganda, geschrieben und veröffentlicht 1928!
Bullenmärkte und Bärenmärkte haben zu 90 Prozent einen psychologischen Hintergrund!
Hierbei spielt auch eine große Rolle, dass Verhaltensökonomen nachgewiesen haben, dass jüngeren Ereignissen eine größere Gewichtung von unserem Gehirn eingeräumt wird als länger zurückliegenden. Fakt ist, dass diese auf einem Herdentrieb beruhende Bewegung irgendwann abrupt ihr Ende findet. Das ist dann besonders schmerzhaft für diejenigen, die bei der Aufwärtsbewegung in der Zeit vorher niemals kritische Stimmen gehört haben und auch ihre eigenen Zweifel unterdrückt haben. Dieses Verhalten, das rein auf psychologischen Faktoren wie dem Herdentrieb – damit ist das Gruppenverhalten beim Investieren gemeint – und dem Nachahmungseffekt beruht, ist tatsächlich zum großen Teil für Aufschwünge und längere Bullenmärkte wie auch für schnell fallende Märkte und depressive Bärenmärkte verantwortlich.
Und da der Markt per Definition aus den kollektiven Entscheidungen aller Aktienkäufer besteht, ist es keine Übertreibung, zu sagen, dass der gesamte Markt von psychologischen Kräften befeuert wird.
Warren Buffett
Die Kenntnis von Verhaltensökonomie schützt nicht vor Manie und Depression!
Robert Shiller hat in seinen Arbeiten diese Verhaltensweisen der Menschen und der Anleger an den Finanzmärkten hervorragend ausgearbeitet. Erstaunlich ist, dass selbst bei Kenntnis dieser psychologischen Faktoren, die nachgewiesen das Verhalten der meisten Anlegern an den Finanzmärkten bestimmen, es trotzdem regelmäßig zu Übertreibungen und Untertreibungen bei den Kursen von Aktien beziehungsweise Aktien-Indizes oder anderen Assets wie Immobilien kommt.
Das heißt: Wir wissen um die Macht der psychologischen Faktoren wie Herdentrieb und Nachahmungseffekte, aber wir finden keinen Ansatz, um uns ihnen wirklich zu entziehen. Wir machen mit in der Annahme, dass die Masse ja nicht falsch liegen kann.
Fakt ist aber: Die Masse liegt meistens falsch!
Eine amüsante Anekdote hat Thaler in „Nudge“ noch beschrieben. Diesmal aus einem ganz anderen Bereich, nämlich dem der falschen Ernährung. Er schreibt:
„Wer mit anderen zusammen isst, nimmt ebenfalls zu. Eine weitere Person am Esstisch verführt Sie dazu, durchschnittlich 35 % mehr zu essen als dies ohne Gesellschaft der Fall wäre. Nimmt man die Mahlzeit zu viert ein, isst man sogar 75 % mehr, und in einer Gruppe von sieben oder mehr Leuten verputzt man fast die doppelte Menge.“
Richard Thaler in „Nudge“.
Anleger an den Finanzmärkten können also aufatmen. Herdentrieb und Nachahmungseffekte wirken auch in vielen anderen Lebensbereichen. Wer um diese psychologischen Einflussfaktoren weiß, kann sich natürlich schützen.
Wie kann ich mich den Einflüssen von Gruppenverhalten beim Investieren entziehen?
Zum Beispiel, indem ich einen klaren Plan für meine Investitionen erstelle mit einem konkret formulierten Ziel und diesem Plan folge. Weiterhin ist es notwendig, dass so wenig wie möglich Einflüsse von außen, insbesondere von Medien und sozialen Medien, mein Denken beeinflussen. Zu einem solchen Plan gehört auch, dass ich weiß, wann ich nichts tun sollte an der Börse. Mehr über die Kunst, nichts zu tun an der Börse, kannst du in diesem ausführlichen Artikel lesen.
Selbstständiges Denken stärkt deine Persönlichkeit und schafft Zufriedenheit!
Selbstständiges Denken führt an der Börse zu mehr Verantwortlichkeit gegenüber den eigenen Investitionen. Mehr Verantwortung für sein eigenes Tun ist definitiv befriedigender für einen selbst. Daraus schöpft man Selbstvertrauen. Deshalb: Folge deinen eigenen Entscheidungen! Die Ergebnisse, die du auf diese Weise erzielst, und die eben nicht durch Nachahmung und Kopieren entstanden sind, sind wertvoller für deine Entwicklung zu einem besseren Investor! Eigenes Nachdenken und selbstständiges kluges Überlegen bringen dir eine ordentliche Zusatzrendite – nämlich neue Erkenntnisse und persönliche Zufriedenheit darüber, etwas eigenes geschafft zu haben.
Photo by davide ragusa on Unsplash
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
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Ich schau auch über den Tellerrand und lese Bücher die auch von sogenannten „Crashpropheten“ geschrieben werden. Mir geht es darum, auch eine andere sichþweise einzunehmen. In den Sozialen Medien wird der Markt immer ‚bullish‘ sein… zumal die wenigsten einen Crash mitgemacht haben. Mich eingeschlossen mit meinen jetzigen Investitionen im Gegensatz zu früher mit Peanuts bei der .com-Blase….
Es ist immer ein Balanceakt zwischen Vorsicht und Risiko. Deshalb ist es gut, wenn du versuchst, die Gegenseite zur aktuellen Mainstream-Meinung einzunehmen. Solange du dich mit deinen Positionen wohlfühlst, ist sowieso alles prima. Das eigene Bauchgefühl kann ein guter Berater sein 😉