Als Value-Investor suche ich nach Aktien, die bestimmte fundamentale Kriterien aufweisen. Es geht darum, unterbewertete Aktien zu finden. Dabei kann es passieren, dass man als Anleger in eine so genannte „Werte-Falle“ gerät. Was bedeutet diese „Werte-Falle“ und wie kann ich sie erkennen?
Das größte Risiko bei der Anlage in Value-Aktien ist, dass man unabsichtlich in die “Value-Falle“ gerät. Mit diesem Begriff bezeichnet man Unternehmen, die auf den ersten Blick günstig aussehen und alle fundamentalen Kriterien für einen Kauf erfüllen. Diese Aktien sind zum Teil stark unterbewertet und werden von vielen Marktteilnehmern ignoriert. Kaufargumente gibt es also genug. Doch günstig ist nicht gleich günstig.
Wenn die „Werte-Falle“ zuschnappt
Manche dieser Aktien sind aus einem bestimmten Grund billig. Die Fundamentaldaten sehen hervorragend aus, aber irgend etwas ist faul. An diesem Punkt muss man tiefer graben, um herauszufinden, warum dieses scheinbare Schnäppchen von niemandem vorher entdeckt wurde. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, dass das Unternehmen zu viele Schulden hat. Weiterhin – und das passiert derzeit in einigen Bereichen häufiger – kann es sein, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens hoffnungslos überholt und nicht zukunftsfähig ist. Das bedeutet, dass die Produkte oder Dienstleistungen von den Kunden des Unternehmens zunehmend ignoriert werden.
Die Wichtigkeit des wirtschaftlichen Burggrabens
Als Value-Investoren suchen wir nach Qualität und einem Wert, der sich nicht nur in den aktuellen Fundamentaldaten widerspiegelt, sondern auch in Zukunft zu erwarten ist. Wir reden hier vom so genannten Burggraben eines Unternehmens. Damit bezeichnet man ein Produkt oder eine Dienstleistung, die über ein großes Alleinstellungsmerkmal verfügt. Im Marketingbereich nennt man so etwas USP – unique selling proposition. Hat ein Unternehmen ein solches Alleinstellungsmerkmal in einem bestimmten Markt oder bei einer bestimmten Kundenklientel, fällt es Konkurrenten schwer, in diesen Markt einzudringen.
Nutze das Buffett-Kriterium „Burggraben“!
Warren Buffett war einer der ersten, der die klassische Value-Strategie in diesem wichtigen Punkt abgeändert hat. Er erweiterte die Kriterien, über die ein Value-Unternehmen verfügen muss, um den Faktor „Burggraben/ Zukunftsfähigkeit“. Man sucht also nicht nur nach günstigen Aktien, sondern definiert auch den Burggraben eines Unternehmens. Durch die Hinzunahme dieses Qualitätsfaktors findet man Werte-Unternehmen, die über einen langen Zeitraum konsistente Gewinne erzielen werden.
Die Greenblatt-Formel: KGV und ROIC
Joel Greenblatt von Gotham Capital verwendet einen ähnlichen Ansatz. Er implementierte in seine Kriterien den ROIC – den Return of Investing Capital. Das ist die Rendite, die ein Anleger für seine Investition in die Aktie eines Unternehmens erhält. Gebe ich einem Unternehmen einen Dollar Investitionskapital und der ROIC beträgt 25 %, dann erwirtschaftet das Unternehmen für mich nach einem Jahr eine Verzinsung meines Kapitals von 25 Cent. Das wäre ein guter Deal. Achtung: Der ROIC ist nicht zu verwechseln mit der Dividendenrendite! Dividendenausschüttungen bekomme ich als Aktionär ohnehin und diese werden aus dem Gewinn bezahlt, den das Unternehmen insgesamt ausweist.
Greenblatt nimmt das ROIC zusätzlich zum altbekannten KGV dazu, um eine erste Filterung von in Frage kommenden Unternehmen vorzunehmen.
- Zuerst werden alle Unternehmen nach ihrem Preis-Gewinn-Verhältnis geordnet (niedrig bis hoch).
- Anschließend werden diese Unternehmen nach ihrem ROIC (hoch bis niedrig) geordnet.
- Für einen Kauf kommen bei dieser einfachen Bewertungsmethode die Unternehmen in Frage, die die beste Kombination aus beiden haben – also niedriges KGV und hoher ROIC.
Im Ergebnis habe ich bei Verwendung dieser Methode eine Liste von günstig bewerteten Unternehmen mit hohen Renditen auf das investierte Kapital. Das deutet darauf hin, dass diese Unternehmen über ein starkes Geschäftsmodell und einen wirtschaftlichen Burggraben verfügen und es damit unwahrscheinlich ist, dass ich in eine „Werte-Falle“ gerate. In den letzten zehn Jahren hat diese Strategie wie viele andere Value-Strategien im Vergleich zu Wachstumsaktien schlechter abgeschnitten.
Es stellt sich also wieder einmal die Frage, inwiefern ich mich bei ausschließlicher Anwendung einer Value-Strategie von wichtigen Performance-Punkten verabschieden muss. Was ich auf jeden Fall habe, ist ein geringeres Risiko. Der Einsatz von Value-Kriterien ist meistens verknüpft mit einer geringeren Volatilität der Aktien und damit einer insgesamt geringeren Schwankungsbreite meines Depots.
Wir können festhalten, dass die Verwendung eines hohen ROIC als Kriterium bei der Suche nach Value-Unternehmen darauf hindeutet, dass dieses Unternehmen über einen wirtschaftlich starken Burggraben verfügt. Das kann zum Beispiel sein:
- ein Markenwert (Coca Cola)
- inhärente Kostenvorteile oder Netzwerkeffekte (Amazon)
- einzigartige Immobilien (REITs)
- Patentschutz oder etwas anderes.
Mit einem starken Burggraben kann man über lange Zeiträume einen hohen jährlichen ROIC erzielen.
Mit welchen ETFs kann ich diese Strategie nachbilden?
Es gibt einen ETF, der an US-amerikanischen Börsen gehandelt wird, der das Konzept von Greenblatt adaptiert. Das ist der Alpha Architect US Quantitative Value ETF (US-Börsenkürzel QVAL). Mit einem quantitativen Filter werden die 50 besten Unternehmen ermittelt, die einen hohen ROIC, gute Bilanzen und günstige Preise aufweisen. Den ETF gibt es seit knapp fünf Jahren, aber auch damit hätte man als Anleger keine Bäume ausgerissen, was die Performance angeht.

Diesen ETF gibt es auch in einer internationalen Version (Börsenkürzel IVAL), der sich in einem Aktienuniversum außerhalb der USA orientiert.
Eine ähnliche Strategie verfolgt der Cambria Shareholder Yield ETF (US-Börsenkürzel SYLD/ ausländische Version FYLD). Dabei werden Aktien mit hohen Aktionärsrenditen passiv gefiltert. Die Aktionärsrendite eines Unternehmens ist die Summe von ausgeschütteten Dividenden, Aktienrückkäufen und Schuldentilgung, geteilt durch die Marktkapitalisierung.

Auch diese Herangehensweise gehört in die Kategorie der Value-Aktien. Auch die Performance von SYLD/ FYLD konnte in den letzten zehn Jahren nicht ansatzweise mit der von Wachstumsunternehmen aus dem Technologie-Bereich mithalten. Zwei andere ETFs, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, habe ich in diesem Artikel vorgestellt.
Wird eine Value-Strategie in Zukunft funktionieren?
Der abschließende Gedanke ist, dass es gerade diese langen Perioden der Unterperformance sind, die dafür sorgen, dass diese Value-Strategien letztendlich doch funktionieren und dem investierten Anleger eine konstante Performance ermöglichen. Allerdings nur im Einsatz über einen längeren Zeitraum – also mehr als zehn Jahre, besser 20 Jahre.
Man sollte als Anleger ohnehin in langen Zeiträumen denken. Kurzfristig gibt es zu viele unbekannte Einflussfaktoren, die für das Auf und Ab an den Börsen sorgen. Auf lange Sicht glätten sich diese Faktoren und sorgen für eine stabile Wertentwicklung im Depot. Wie immer gilt: Die Mischung macht’s.
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