Schreiben fokussiert das Denken! Etwas umgangssprachlicher ausgedrückt – Wer schreibt, der bleibt! Nicht nur professionelle Schreiberlinge kennen diesen Spruch. Auch für Anleger, die Börse ernsthaft betreiben, ist diese Erkenntnis wichtig. Warum schriftliches Festhalten von Gedanken so viele Vorteile hat, erfährst du in diesem Artikel.
Fakt ist, einen Gedankengang oder Ideen durch (am besten handschriftliches) Aufschreiben festzuhalten, fördert effektiv die Verinnerlichung von etwas Gelerntem und steigert auch das Vermögen, sich an das Aufgeschriebene besser zu erinnern.
Bei mir funktioniert diese Methode seit meiner Jugend hervorragend. Ich habe das intuitiv angefangen – wahrscheinlich erst einmal deshalb, weil es mir Spaß machte. Wie so viele im Teenager-Alter habe ich irgendwann angefangen, ein Tagebuch zu schreiben. Daraus wurde viele Jahre eine meiner liebsten Beschäftigungen, der ich regelmäßig, beinahe täglich, nachging. Was das für Folgen hatte, konnte ich mir damals natürlich nicht ausmalen. Umso dankbarer bin ich, dass ich mein ganzes bisheriges Leben lang immer geschrieben habe – meistens über mich und das, was mich gerade beschäftigte.
Schreiben fokussiert das Denken: Glaubenssätze und Leitbild!
Ganz sicher wurden durch das Schreiben meine Glaubenssätze und mein Leitbild geformt! Warum, habe ich erst viele Jahre später erfahren, als ich zufällig über Bücher stolperte, in denen die Kraft vom Aufschreiben der eigenen Gedanken beschrieben wurde.
Was ich feststellte, war, dass ich durch das Notieren meiner Gedanken einen Weg gefunden hatte, mir über viele Dinge (vor allem über mich selbst) klar zu werden. Ich denke, dass ich meine Glaubenssätze und mein Leitbild zu dieser Zeit geformt habe. Das Niederschreiben von allem, was ich beobachtete, hörte, sah und dachte, formte aber nicht nur meine Persönlichkeit, sondern es passierte noch etwas anderes.
Ich konnte mir die Dinge, die ich aufschrieb (und das waren viele verschiedene Sachen) viel besser merken und das Gemerkte auch anwenden. Ich profitierte von meinen Notizen im praktischen Sinne, weil ich in bestimmten Situationen feststellte, dass ich diese irgendwie schon vorweggenommen hatte beim Schreiben.
Schreiben vereinfacht komplexe Zusammenhänge!
Und da wurde es ganz praktisch. Ganz ohne theoretischen Background stellte ich eine kraftvolle Wirkung fest. Die Wirkung, dass ich Dinge und Abläufe besser verstand, besser beurteilen konnte und mir besser merken konnte.
Ohne es zu wissen, hatte ich eine Quelle entdeckt, deren Definition ich erst viele Jahre später kennenlernte. Unter anderem hat sich der Philosoph Karl Popper mit der Sprache und der Wirkung von Gedanken beschäftigt. Sinngemäß sagt er, dass erst, wenn ein Gedanke aufgeschrieben oder ausgesprochen wird, er zum Objekt werden kann. Wird er zum Objekt, kann er beurteilt, kritisiert und überprüft werden.
Die Aussage von Popper ist für mich einleuchtend. Habe ich meinen Gedankengang schriftlich dargelegt, kann ich über den Sinn und die Richtigkeit nachdenken. Ich habe eine Distanz geschaffen zwischen einem Gedanken, der nur in meinem Kopf herumgeistert und der Version, dass dieser Gedanke aus meinem Gehirn herausgelöst wurde. Sozusagen habe ich den Gedanken vor mich hingestellt in dem Sinne, dass ich ihn aufgeschrieben habe.
Schreiben macht Denkprozesse anschaulich!
Sprache und Schrift machen es also möglich, innerste Denkprozesse und persönliche Gedankengänge anschaulich zu machen. Für mich im Nachhinein eine Legitimation meiner vielen handschriftlich vollgeschriebenen Journale.
Die Journalistin Suzy Frisch hat in einem Artikel für Redbooth den Unterschied zwischen handschriftlichen Notizen und getippten Notizen durch verschiedene wissenschaftliche Studien beschrieben.
Drei durchgeführte Experimente der Forscher Pam Mueller von der Princeton University und Daniel Oppenheimer von der UCLA zeigten, dass die Verwendung von Laptops zum Notieren von Informationen sogar das Lernen beeinträchtigt. Wenn Sie mit einem Stift auf Papier schreiben, sind Sie selektiver bei der Zusammenfassung wichtiger Informationen.
Jene, die auf Papier schreiben, nutzen ihr Gehirn zur Aufnahme, Zusammenfassung und kurzen Wiederholung der Kerninformationen. Das wiederum fördert das Verständnis und die Erinnerung daran.
Bei mir führte das dazu, dass ich einen weiteren Effekt bemerkte. Wie kurz erwähnt, stellte ich in bestimmten Situationen fest, dass ich diese Situationen irgendwie schon vorweggenommen hatte beim Schreiben. Weil ich mich beim Aufschreiben meiner Gedanken und möglichen Situationen offenbar so intensiv mit der Thematik beschäftigt habe, dass ich dann, als ich tatsächlich mit einer konkreten Situation konfrontiert wurde, schon wusste, was passieren könnte, wie ich mich zu verhalten bzw. wie ich zu handeln hatte. Klingt ziemlich bekannt, oder? An der Börse machen wir jeden Tag nichts anderes. Wir stellen uns Situationen vor, die passieren können. Und wir sollten uns auch vorstellen, was wir tun würden in solchen Situationen. Das Ganze am besten schriftlich.
Schreiben fokussiert das Denken. Schreiben klärt komplexe Zusammenhänge! Schreiben fördert das Denken!
Die Methode des Schreibens habe ich bis heute beibehalten. Komplexe und neue Sachverhalte schreibe ich in meine Notizbücher, um sie zu verinnerlichen. Um sie wirklich zu verstehen. Um sie so zu verstehen, dass ich dieses neue Wissen beurteilen, einordnen und anwenden kann.
Wichtig dabei ist, diese Gedanken nicht irgendwie abzuschreiben oder abzutippen, sondern den gelernten Inhalt mit eigenen Worten so aufzuschreiben, dass er von mir (und von anderen) verstanden wird. Schreibe oder tippe ich nur ab, bleibe ich gedanklich an der Oberfläche. Ich kopiere lediglich. Erst die Umwandlung in den eigenen Text ermöglicht Verständnis des Inhalts und einen Lernprozess.
„Das Aufschreiben geordneter Notizen scheint eine tiefere und umfassendere Verarbeitung der Vorlesungsinformationen zu bewirken, während das Transkribieren nur eine oberflächliche Aufnahme der Informationen erfordert.“
Dung Bui, Joel Myerson und Sandra Hale, Psychologieprofessoren von der Washington University (Quelle: Redbooth, Suzy Frisch)
Beim Trading und bei meinen Investments hat mir das Aufschreiben der Kriterien, die ich für meine Aktionen festgelegt hatte, der Zweifel und emotionalen Befindlichkeiten und der Methodik enorm geholfen, ein besserer Investor zu werden. Wer sich von Anfang an dafür entscheidet, ein Investment-Journal zu führen, hat einen großen Vorteil. Er kann durch das schriftliche Festhalten seines Handelns Muster erkennen, Fehlerquellen finden und seine Stärken besser kennenlernen. Dabei ist es wichtig, die Aufzeichnungen zeitnah zu den Aktionen zu machen. Nur dann erfahre ich unmittelbar, mit welchen Emotionen, Vorstellungen und mit welchen Auswahlkriterien ich Investments eingegangen bin oder sie beendet habe.
Schreiben fokussiert das Denken! Komplexe Zusammenhänge werden vereinfacht!
Letztendlich ist dieser Blog auch nur eine Art „öffentliches“ persönliches Finanz-Logbuch. Ich gebe hier keine Resultate meiner Investitionen und Trades zum besten, sondern ich schreibe, um mehr über mich herauszufinden. Nach dem Motto: Beantworte deine Fragen schriftlich und du verstehst die Zusammenhänge!
Ich will herausfinden, wie mein Gehirn funktioniert. Welche Einflüsse mich steuern? Welche Handlungen daraus entstehen? Warum wende ich diese bestimmte Methode an, um Aktien zu analysieren? Warum verwende ich das Marktzyklus-Modell? Wie wichtig sind Dividendenerträge für mich? Habe ich Angst, diese Aktie jetzt zu kaufen? Warum?
Schreiben fokussiert das Denken! Positive Gedanken führen zu Verbesserungen!
Wichtig ist, dass Schreiben in dem Sinne, wie ich es in diesem Artikel meine, zu positiven Verbesserungen führen soll. Deshalb sollten die eigenen Gedanken auch positiv formuliert werden. Die Gefahr besteht, dass man beim Schreiben in eine rückwärtsgewandte Sichtweise gerät, in der es nur und ausschließlich um eigene Fehler und Versäumnisse geht. So eine Sichtweise fördert natürlich nicht eine positive Einstellung und eine Kultur der Verbesserung. Sie sorgt viel mehr für negativen Stress.
Nassim Taleb schreibt im Zusammenhang mit dem Investieren an den Finanzmärkten in seinem Buch „Der Schwarze Schwan“ folgendes:
„Leute in Berufen mit hohem Zufallsgrad (wie in den Märkten) leiden oft besonders stark unter den giftigen Auswirkungen von Stichen, die sich beim Rückblick einstellen: Ich hätte mein Portfolio beim Höchststand verkaufen sollen, diese Aktie hätte ich vor Jahren ganz billig kaufen können, und dann würde ich heute ein tolles Cabrio fahren usw. Falls das Ihr Beruf ist, könnten Sie das Gefühl haben, einen Fehler gemacht zu haben oder, was noch schlimmer ist, dass Fehler gemacht wurden, als Sie es unterließen, für Ihre Investoren das Pendant zu dem Los bei der Lotterie, auf das dann der Hauptgewinn fiel, zu erwerben, und das Bedürfnis verspüren, sich für Ihre (im Rückblick) rücksichtslose Anlagestrategie zu entschuldigen.“
Nassim N. Taleb, Der Schwarze Schwan
So ein Blick in den Rückspiegel ist frustrierend. Ich habe diese Phase zum Glück überwunden. Ich kümmere mich nur noch um die Dinge beim Investieren, die ich aktiv beeinflussen kann. Das ist etwas Positives. Hier kann ich mich verbessern. Der Blick zurück im Sinne, etwas Nicht-Getanes zu bereuen, zermürbt einen und sorgt für negativen Stress. Der Blick zurück, um aus vergangenen Fehlern zu lernen ist hingegen eine gute Methode, um besser zu werden. Womit wir wieder beim Schreiben eigener Gedanken sind. Aufschreiben sorgt für Struktur beim Denken!
Schreiben fokussiert das Denken: Wer seine Gedanken und Überlegungen aufschreibt, empfindet unmittelbar mehr Zufriedenheit und weniger Schuldgefühle!
Noch ein Zitat aus Nassim Talebs Buch „Der Schwarze Schwan“:
Es hat keinen Sinn, wissentlich vermeiden zu wollen, daran zu denken. (…) Eine bessere Lösung ist, das Ereignis unvermeidlicher erscheinen zu lassen. (…) Wie können Sie das machen? Mit einer Erzählung. Patienten, die jeden Tag 15 Minuten dafür aufwenden, ihre täglichen Probleme schriftlich darzulegen, fühlen sich im Hinblick auf das, was ihnen widerfahren ist, tatsächlich besser. Sie haben dann nicht so große Schuldgefühle, weil sie gewisse Ereignisse nicht verhindert haben, sie fühlen sich dafür nicht so verantwortlich. Es sieht so aus, als hätten sie zwangsläufig passieren müssen.
Jeder lernt anders. Meine Methode heißt Schreiben!
Ich empfehle die Vorgehensweise des Schreibens allen, die noch nicht ihren eigenen Weg gefunden haben, wie sie am besten lernen. Jeder lernt anders. Jeder favorisiert andere Mittel, um Gelerntes zu verinnerlichen und dauerhaft im Gedächtnis zu behalten.
Ich persönlich lerne Neues am besten, wenn ich über etwas schreibe, das ich gehört oder gelesen habe. Der kreative Prozess des Schreibens sorgt dafür, dass ich mich konzentrieren und strukturiert an das Thema herangehen muss. Weiterer Vorteil: Ich kann mir das, was ich aufgeschrieben habe, für sehr lange Zeit merken!
Mit der Methode des Schreibens eigener Gedanken oder der Formulierung von Gedanken und Ideen anderer bin ich nicht allein. Ich habe festgestellt, dass viele Investoren und Finanzmanager diese klassische Methode anwenden, um ihre eigenen Gedanken zu ordnen, um komplexe Vorgänge und die Einflüsse anderer Menschen besser zu verstehen und um letztendlich auch besser zu werden beim eigenen Handeln.
Guy Spier zum Beispiel hat klipp und klar bestätigt, dass Schreiben sein Denken fokussiert! Er wurde mal bei Twitter gefragt: Was ist dein nützlichster Kauf unter 100 Dollar? Als Antwort postete er ein Foto von seinem Moleskine Notizbuch. In dieses Notizbuch schreibt er regelmäßig seine Gedanken und Ideen. Nicht nur für Investments, aber auch dafür.
Ich schreibe meine Artikel grundsätzlich erst einmal für mich. Um mich besser kennenzulernen, was ich an der Börse mache und wie ich an meine Deals herangehe. Wenn das dann noch andere Menschen interessiert, freut mich das sehr. Aber das ist nicht meine primäre Intention. Deshalb würde ich auch niemals über etwas schreiben, was sich Außenstehende wünschen. Das Thema muss mich schon selbst interessieren. Da halte ich es mit Klaus Kinski, der einmal sagte: Das Publikum hat keinerlei Rechte! Das Publikum soll ruhig sein, zuhören und nicht stören!
Handschriftliche Aufzeichnungen in einem Tagebuch sollen sogar noch besser funktionieren, wie Studien bewiesen haben. Zugegeben, die Zeiten, als ich meine Tagebücher handschriftlich verfasst habe, sind lange her. Ich habe allerdings letztes Jahr zu Weihnachten ein schönes, in Leder gebundenes Notizbuch vom Weihnachtsmann bekommen. Dieses nutze ich immer öfter.
Ich empfehle allen, die sich ernsthaft mit sich und auch ernsthaft mit der Börse und dem Vermögensaufbau beschäftigen, die Methode „Wer schreibt, der bleibt“ zu testen. Probiere es einfach einmal aus! Wenn du etwas Interessantes oder Nützliches liest, dann schreibe es mit deinen Worten auf. Der Erfolg ist verblüffend. Kombinierst du diese Vorgehensweise mit der praktischen Anwendung des Gelernten (und Aufgeschriebenen), werden sich deine Fähigkeiten, was deinen Umgang mit Wissen angeht, um ein Vielfaches verbessern.
Konkret auf die Börse bezogen, wirst du eher die Muster und Verhaltensweisen erkennen, die dir bei deinen Investments helfen – oder dich massiv daran hindern, ein besserer Investor zu werden. Ich schreibe auch in größeren Zeitabständen mein Drehbuch für die Märkte. Was damit gemeint ist, kannst du in diesem Artikel lesen.
90 Prozent des Erfolges an der Börse sind Psychologie. Davon bin ich fest überzeugt. Wer sich besser kennt, seine Stärken und Schwächen kennt, der agiert überlegter bei seinen Spekulationen. Schreiben ist der beste und wirksamste Weg, um sich selbst besser kennenzulernen.
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